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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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ließ sie überlegen, ob sie sich die Kleider vom Leib reißen, nach unten rennen und ins Meer stürzen sollte. Aber das ging wieder vorbei.
    Sie blieb noch ein paar Minuten in dem schmalen Bett liegen, stand dann aber auf.
    Die Luft war feucht und kalt, und es stürmte noch immer,
     aber das Stenvik, das sie jetzt sah, war nicht dieselbe Gespensterlandschaft wie am Abend zuvor.
    Der strömende Regen hatte alles Grau fortgespült; jetzt
     schien wieder die Sonne, und die öländische Küste war rein,
     schroff und schön. Die Bucht, die dem Ort Stenvik ihren
     Namen gegeben hatte, war nicht besonders tief, sie war sanft
     gerundet und erstreckte sich zu beiden Seiten des Bootshauses, ausgehöhlt vom glitzernden Wasser des Sundes. Einige hundert Meter vom Ufer entfernt ruhten sich Möwen
     mit ausgebreiteten Flügeln auf den Wellen aus und schrien
     oder lachten einander durchdringend gegen den Wind an.
    Julia hörte Hundegebell. Als sie den Kopf zur Küstenstraße
     drehte, sah sie eine weißhaarige Frau in einem roten Steppanorak mit einem hellbraunen Hund spazieren gehen, der
     hin und her sprang und am Boden schnüffelte. Ohne Julia zu
     sehen, bog die Frau ab und ging mit schnellen Schritten in
     eines der Häuser auf der anderen Seite der Straße.
    Offenbar gab es außer Ernst noch andere Einwohner in
     Stenvik, registrierte Julia.
    Allmählich verschwand ihre Schläfrigkeit, sie war voller
     Energie. Sie nahm einen Plastikeimer und ging zu Gerlofs
     Sommerhaus, um ihn am Wasserhahn im Garten mit Trinkwasser zu füllen. Im Sonnenlicht sah das Haus richtig einladend aus, obwohl es so zugewachsen war, aber Gerlof hatte
     ihr den Schlüssel nicht gegeben, sodass sie nicht hineingehen und sich ihr altes Kinderzimmer ansehen konnte.
    Während sie den Eimer mit plätscherndem Wasser füllte,
     überlegte sie, dass sie eigentlich doch länger als einen Tag auf
     Öland bleiben konnte. Wenn es wirklich etwas Vernünftiges
     zu tun gäbe, würde sie noch zwei oder drei Tage bleiben.
    Dann sah sie sich im leeren Garten um und entschied sich
     anders. Nein. Sie würde heute zurück nach Göteborg fahren,
     aber erst später.
    Auf dem Weg zum Bootshaus, den vollen Eimer fest in der
     Hand, blieb sie kurz stehen, um sich das gelbe Haus hinter
     der Sanddornhecke unterhalb des Sommerhauses anzusehen. Es war umgeben von hohen, wuchernden Eschen und
     eigentlich nur schemenhaft hinter der Hecke zu erkennen,
     aber was man sah, war nicht sonderlich schön. Das Haus
     stand nicht nur leer, es war verfallen. Wilder Wein war an
     den Wänden emporgeklettert und bedeckte zum Teil die zerbrochenen Fensterscheiben.
    Julia erinnerte sich nur schwach an eine alte Frau, die dort
     gewohnt hatte, nie vor die Tür gegangen war und zu keinem
     aus dem Ort Kontakt gehabt hatte.
    Es war merkwürdig, dass man dieses Haus verfallen ließ,
     denn unter den Rissen und Wunden war es trotz allem einmal ein ziemlich prachtvolles Domizil gewesen.
    Julia ging weiter zum Bootshaus, um Frühstück zu machen.
    Fünfundvierzig Minuten später schloss sie das Bootshaus ab,
     eine Tasche über die Schulter gehängt, die andere in der
     Hand. Das Bett war gemacht, der Strom abgestellt, die Rollos
     waren heruntergezogen. Das Bootshaus stand wieder leer.
    Julia ging über die Landborg zu ihrem Auto, sah sich um,
     konnte aber keine Menschenseele an der Küste entdecken
     und stieg ein. Sie startete den Motor und sah ein letztes Mal
     zum Bootshaus. Schnell wendete sie das Auto und bog auf die
     Landstraße.
    Sie fuhr an einem Bauernhof, der jetzt ein Sommerhaus
     war, an dem gelben Haus und an dem Weg vorbei, der zu Gerlofs Sommerhaus führte. Lebewohl, Jens.
    Links von der Hauptstraße führte ein Weg in eine weitere
     Ferienhaussiedlung, und dort stand ein viereckiger Kalkstein,
     der in die Erde eingegraben war und auf dem in weißen Lettern STEINKUNST 1 KM gemalt stand. Auf einem Eisenpfosten darüber hing ein Schild mit dem Sackgassensymbol.
    Julia sah das Schild, und ihr fiel ein, was sie noch vorhatte,
     ehe sie sich von Gerlof verabschiedete: am geschlossenen
     Steinbruch anhalten und sich die Steinskulpturen von Ernst
     Adolfsson ansehen.
    Vielleicht konnte sie ihm sogar ein paar Fragen über Jens
     stellen, zum Beispiel, wo er an jenem Tag gewesen war.
    Sie bog in die kleine Straße ein, und der kleine Ford begann
     sofort zu hüpfen und zu schlingern. Es war die schlimmste
     Straße, die Julia auf Öland je befahren hatte, schuld war bestimmt der

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