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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Kirche von Marnäs erinnerte.
    Julia ging vorsichtig an den geschliffenen Steinen vorbei,
     und auf einmal lag der Steinbruch vor ihr wie ein riesiges
     Schwimmbecken ohne Wasser.
    Der Steinbruch war nicht besonders tief, aber der Fels fiel
     senkrecht ab. Sie stand an der Abbruchkante und blickte
     schweigend auf die karge Steinlandschaft, als sie plötzlich
     unter sich den hohen Kirchturm entdeckte. Er war in den
     Steinbruch gestürzt und zur Seite gekippt. Die Turmspitze
     zeigte zum Wasser hin.
    Der Kirchturm hatte den Sturz unbeschadet überstanden.
    Aber unter der länglichen Skulptur lag Ernst Adolfsson.
     Vom Grund des Steinbruchs starrte er mit blutendem Mund
     und zerschmettertem Körper in den Himmel.

STENVIK, MAI 1945
    A lles hat sich verändert. Große Dinge werden geschehen,
     in der Welt und in Nils Kants Leben. Das spürt er am
     Wind.
    Die Sonne über der Alvar scheint stärker als je zuvor, die
     öländischen Winde sind kräftiger, die Luft ist klarer, und die
     Blumen blühen bereits. Das Gras ist grün und noch nicht von
     der Sonne des Hochsommers verbrannt. Unscharfe und flimmernde kleine Striche in den Wolken werden zu Schwalben,
     die wie schwarze Pfeile über die Ebene schweben, Geschwindigkeit aufnehmen, senkrecht in die Luft schießen, um wieder am Himmel zu kreisen.
    Der Frühling ist endgültig auf Öland angekommen, und
     Nils Kant spürt die Veränderungen in der Luft. Er ist jetzt fast
     zwanzig Jahre alt, endlich erwachsen und frei. Das Leben
     liegt vor ihm, große Ereignisse stehen bevor. Er fühlt es im
     ganzen Körper.
    Nils ist bald zu alt, um hier draußen durch die Stille zu
     streifen und Hasen zu schießen. Er hat andere Pläne. Jetzt
     nach dem Krieg will er in die weite Welt hinaus. Gerne würde
     er Maja Nyman mitnehmen, das Mädchen, das in einem
     Häuschen unten an der Landborg in Stenvik wohnt. Er weiß
     genau, wie sie aussieht, und denkt oft an sie. Aber im Grunde
     haben sie sich noch nie unterhalten, sich nur gegrüßt, wenn
     sie sich begegneten und sie allein war. Sollte sich nicht baldeine Gelegenheit ergeben, mit ihr zu sprechen, würde er
     wohl ohne sie reisen müssen.
    An diesem Tag hat er sich weiter von Stenvik entfernt als
     üblich und ist fast auf der östlichen Seite der Insel. Ehe er die
     Landstraße überquert, hat er zwei Hasen geschossen, die er
     unter einem Strauch liegen gelassen hat, um sie auf dem
     Heimweg aufzusammeln. Er möchte noch einen oder zwei
     Hasen erlegen, ehe er zu seiner Mutter zurückgeht, vielleicht
     auch noch ein paar Schwalben, nur so zum Spaß.
    Das Schmelzwasser steht noch in breiten Pfützen auf der
     Alvar. Es ist, als würde man durch eine Moorlandschaft mit
     zahllosen kleinen Seen gehen. Das Wasser verdampft in
     der Sonne. Nils trägt hohe, dicke Stiefel und kann durch
     die Pfützen waten, wenn er möchte. Manchmal tut er das,
     manchmal geht er um sie herum. Er ist frei, ihm gehört die
     ganze Welt.
    Adolf Hitler hat versucht, die ganze Welt zu besitzen. Er ist
     tot, hat sich vor ein paar Wochen in Berlin erschossen. Danach war es aus mit Deutschland. Keiner da unten wollte oder
     konnte noch gegen die Russen und Amerikaner kämpfen.
    Nils patscht in eine Pfütze und durchquert ein Gestrüpp
     von Wacholderbüschen. Er erinnert sich, dass er Hitler früher
     gut gefunden hat, zumindest hat er großen Respekt vor seinem starken Willen gehabt.
    Andächtig hat er Ausschnitten aus Hitlers donnernder
     Rede gelauscht, wenn seine Mutter das Radio im Wohnzimmer angestellt hat. Und er hat viele Jahre darauf gewartet,
     dass deutsche Bomber über Öland schweben würden und
     der Krieg endlich auch zu ihnen kam. Doch jetzt ist Hitler
     weg und das riesige Deutschland zerstört von englischen
     Bombern.
    Deutschland ist nicht mehr so interessant, England hingegen ein verlockendes Land. Auch Amerika scheint ihm groß
     und verheißungsvoll zu sein, aber zu viele Öländer sind bereitsdorthin gereist und niemals zurückgekehrt. Im 19. Jahrhundert verschwanden Tausende spurlos in dem riesigen
     Land. Nils will die Welt bereisen und als Kaiser nach Stenvik
     zurückkehren.
    Er hört ein Geräusch, leise zwar, aber mit einem harten
     Klang, und bleibt stehen.
    Weit und breit ist kein Hase zu sehen, und trotzdem hat
     Nils das Gefühl, als wäre da …
    Er ist nicht allein.
    Da draußen ist jemand.
    Er hat etwas im Wind gehört, und es ist weder Vogelzwitschern noch Insektensurren oder Pferdewiehern gewesen. Er
     streift

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