Öland
Davidsson, aus Stenvik. Das hier ist meine
Tochter. Wir wollten Martin nur Guten Tag sagen.«
»Okay«, sagte das Mädchen. »Ich werde mal nachsehen.«
»Können wir so lange im Warmen warten?«, fragte Gerlof.
»Aber sicher.«
Julia half Gerlof über die Türschwelle und den Marmorboden des Eingangsflurs. Er war groß, mit dunklen Holzpaneelen an den Wänden, an denen gerahmte Fotografien
von neueren und älteren Schiffen hingen. Drei Türen gingen
vom Flur ab und führten ins Innere des Hauses, eine breite
Treppe in den ersten Stock.
»Sind Sie mit Martin verwandt?«, fragte Gerlof, als sie die
Tür hinter sich geschlossen hatten.
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Ich bin Krankenschwester und komme aus Kalmar«, sagte
sie, ging auf die mittlere der drei Türen zu und öffnete sie. Julia versuchte zu erkennen, was sich dahinter befand, aber im
Türrahmen hing ein dunkler Stoffvorhang.
Sie blieben schweigend im Flur stehen, als würde das
große Haus mit seinen verschlossenen Türen nicht zu einem
Gespräch einladen. Alles war still und feierlich wie in einer
Kirche –aber als Julia genau horchte, meinte sie Schritte im
Obergeschoss zu hören.
Die mittlere Tür ging wieder auf, die Krankenschwester
kam heraus.
»Martin geht es heute nicht so gut«, sagte sie leise. »Leider.
Er ist sehr müde.«
»Ach ja?«, erwiderte Gerlof. »Das ist schade. Wir haben uns
seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Sie müssen leider ein anderes Mal wiederkommen«, verabschiedete die Krankenschwester sie resolut.
Gerlof nickte.
»Das tun wir. Aber wir rufen dann vorher an.«
Er verließ das Haus, und Julia folgte ihm widerstrebend.
Im Garten erschien Julia die Luft noch kälter als zuvor.
Schweigend begleitete sie Gerlof, öffnete das Eisengitter und
drehte sich dann noch einmal zu dem großen Haus um.
Ein blasses Gesicht starrte aus einem der breiten Fenster
im ersten Stock zu ihnen herab. Es war eine ältere Frau, die
ihnen mit ernstem Blick folgte.
Julia wollte Gerlof fragen, ob er sie kannte, aber er war
schon auf dem Weg zum Auto. Sie rannte vor, um ihm die Tür
aufzuschließen.
Als sie danach erneut zu den Fenstern des Hauses hochsah,
war die Frau verschwunden.
Gerlof rückte sich in seinem Sitz zurecht und sah auf die
Uhr.
»Halb zwei«, sagte er. »Wir könnten essen gehen. Danach
müssen wir noch im Alkoholladen vorbeifahren. Ich habe
einigen meiner Mitbewohner im Altersheim versprochen,
einen Einkauf zu machen. Ist das in Ordnung?«
Julia setzte sich ans Steuer.
»Alkohol ist Gift«, sagte sie.
Sie aßen zu Mittag in einem der wenigen Restaurants in
Borgholm, die auch außerhalb der Saison geöffnet hatten.
Der Speisesaal war fast menschenleer, aber als Julia mit
Gerlof über ihren Besuch bei Martin Malm zu sprechen versuchte, schüttelte er nur den Kopf und widmete sich seinen
Nudeln. Er bestand darauf, das Essen zu bezahlen, und danach fuhren sie in den Alkoholladen, wo Gerlof zwei Flaschen Wermut, eine Flasche Eierlikör und sechs Dosen deutsches Bier kaufte.
»So, dann lass uns mal wieder nach Hause fahren«, sagte
Gerlof, als sie im Wagen saßen.
Er hatte einen unbekümmerten Tonfall wie jemand, der
einen gelungenen Tag in der Stadt verbracht hat, was Julia
fürchterlich reizte. Sie schaltete schnell in den ersten Gang
und reihte sich in den Verkehr ein.
»Es ist überhaupt nichts passiert!« stieß sie hervor, als sie
auf der Straße östlich von Borgholm waren und an einer
roten Ampel halten mussten.
»Wie bitte?«, fragte Gerlof.
»Wie bitte, wie bitte?«, äffte Julia ihn nach und bog auf die
Landstraße nach Norden. »Wir sind heute keinen Schritt weitergekommen.«
»Aber natürlich. Zuerst haben wir sehr guten Kuchen bei
Margit und Gösta bekommen«, fing Gerlof an. »Dann konnte
ich mir das Autohaus Blomberg von Nahem ansehen. Außerdem haben wir …«
»Warum wolltest du das eigentlich?«, unterbrach Julia
ihn.
Gerlof schwieg.
»Aus unterschiedlichen Gründen«, antwortete er dann.
Julia holte tief Luft.
»Du musst mir mehr erzählen, Papa«, verlangte sie und
starrte durch die Windschutzscheibe. Sie hatte große Lust,
einfach anzuhalten, die Tür aufzureißen und ihn in der Alvar
nördlich von Köpingsvik auszusetzen. Sie hatte das Gefühl,
dass er mit ihr spielte.
Gerlof ergriff erst nach einer ganzen Weile das Wort.
»Ernst Adolfsson hat sich im Sommer eine Sache in den
Kopf
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