Offenbarung
Das
Miniaturgesicht wirkte finster. Die Augen waren geschlossen, die
Lider verklebt.
»Sie. Musterschieber«, sagte Khouri.
Vasko wandte sich an Scorpio. »Ich glaube, wir haben das
alles ganz falsch verstanden«, sagte er.
»Wirklich?«
»Warten Sie. Ich muss mit Antoinette sprechen.«
Ohne die Erlaubnis des Schweins abzuwarten, ging er zur
Brücke. Antoinette und der Pilot waren auf den Kommandoliegen
festgeschnallt. Sie hatten das ganze Cockpit durchsichtig gemacht und
schienen, umgeben von losgelösten Anzeigen und Schaltpulten, im
Nichts zu schweben. Von Schwindel erfasst, trat Vasko einen Schritt
zurück, dann nahm er sich zusammen.
»Können wir auf der Stelle fliegen?«, fragte
er.
Antoinette sah über die Schulter.
»Natürlich.«
»Dann halten Sie an. Haben Sie Radargeräte?
Antikollisionssensoren oder dergleichen?«
»Natürlich«, wiederholte sie, als hätte sie
lange keine so dummen Fragen mehr gehört.
»Dann richten Sie sie auf das Schiff.«
»Können Sie mir einen Grund dafür nennen, Vasko?
Wir sehen alle, dass sich das verdammte Ding schräg
legt.«
»Tun Sie es einfach.«
»Zu Befehl, Sir«, sagte sie. Ihre kleinen Hände mit
dem klirrenden Schmuck betätigten die Schalter, die über
ihrer Liege schwebten. Ein Ruck ging durch das Schiff, dann schwebte
es auf der Stelle. Das Blickfeld drehte sich, bis der schiefe Turm
genau vor ihnen lag.
»Bleiben Sie so«, sagte Vasko. »Und jetzt richten
Sie das Radar – oder was auch immer – auf das Schiff. So
weit unten wie möglich.«
»So werden wir den Neigungswinkel nicht messen
können«, sagte Antoinette.
»Die Neigung interessiert mich nicht. Ich glaube nicht, dass
sie ernsthaft vorhaben, es umzuwerfen.«
»Nicht?«
Vasko lächelte. »Ich denke, das ist nur ein Nebeneffekt.
Sie wollen es wegschleppen.«
Er wartete, bis sie das Gerät eingestellt hatte. Vor ihr
schwebte ein pulsierendes kugelförmiges Display, gefüllt
mit grünen Linien und Ziffern. »Da ist das Schiff«,
erklärte sie und deutete auf das dickste Signal auf der
Radarkarte.
»Gut. Und jetzt sagen Sie mir, wie weit es entfernt
ist.«
»Vierhundertvierzig Meter«, antwortete sie nach kurzem
Zögern. »Das ist ein Mittelwert. Das grüne Zeug
verändert ständig seine Dicke.«
»Schön. Behalten Sie diese Zahl im Auge.«
»Sie wächst«, sagte der Pilot.
Vasko spürte, wie ihm jemand seinen heißen Atem ins
Genick blies. Er drehte sich um. Das Schwein schaute ihm über
die Schulter.
»Vasko hat etwas entdeckt«, sagte Antoinette.
»Entfernung zum Turm beträgt jetzt…
vierhundertfünfzig Meter.«
»Ihr treibt ab«, sagte Scorpio.
»Nein.« Das klang gekränkt. »Wir stehen
bombenfest, zumindest innerhalb der Messfehlertoleranz. Vasko hat
Recht, Scorpio – das Schiff bewegt sich. Sie ziehen es auf das
Meer hinaus.«
»Wie schnell bewegt es sich?«
»Das kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen. Ein,
vielleicht zwei Meter pro Sekunde.«
Antoinette schaute auf ihren Armbandkommunikator. »Die
Neutrinowerte steigen noch immer. Ich weiß nicht genau, wie
viel Zeit uns bleibt, aber mehr als ein paar Stunden sind es wohl
kaum.«
»Dann wäre das Schiff beim Start nur wenige Kilometer
weiter draußen«, sagte Scorpio.
»Das ist besser als nichts«, meinte Antoinette.
»Wenn sie es wenigstens aus der Bucht schleppen könnten,
damit wir besser vor den Flutwellen geschützt wären…
das müsste doch etwas bringen?«
»Ich glaube es erst, wenn ich es sehe«, antwortete das
Schwein.
Vasko fühlte sich bestätigt. »Aura hatte Recht. Sie
wollen nichts Böses. Sie wollen uns retten, indem sie das Schiff
aufs offene Meer hinausschaffen. Sie sind auf unserer
Seite.«
»Schön und gut«, sagte Scorpio, »aber woher
wussten sie überhaupt, dass wir in diesem Schlamassel stecken?
Schließlich ist niemand ins Meer gestiegen und hat es ihnen
erklärt. Die Schwimmer waren ja nicht dazu bereit.«
»Vielleicht doch«, sagte Vasko. »Ist das jetzt
nicht egal? Das Schiff bewegt sich. Das ist alles, was
zählt.«
»Schon«, sagte Scorpio. »Ich hoffe nur, es ist noch
nicht zu spät.«
Antoinette wandte sich an den Piloten. »Können Sie uns
näher heranbringen? Das grüne Zeug scheint weiter oben
nicht allzu dick zu sein. Vielleicht kann man das Landedeck noch
anfliegen.«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte der Mann
ungläubig.
Antoinette schüttelte nur den Kopf. Sie war schon dabei, ihm
die Steuerung wieder voll zu übergeben. »Leider nein. Wenn
wir möchten, dass John
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