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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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und
schlecht bezahlt.«
    »Ich bin nicht wählerisch.«
    »In diesem Fall werden Sie sich dem betreffenden Trupp
anschließen, sobald wir den Weg erreichen. Machen Sie
keine Dummheiten, dann kann Ihnen auch nichts passieren.«
    »Ich werde es mir merken.«
    Er legte den Finger an die Lippen und wandte sich zum Gehen, als
hätte er anderswo zu tun, doch dann blieb er noch einmal stehen.
Die Augen seines grünen Haustiers – es hatte die ganze Zeit
auf seiner Schulter gesessen – waren wie zwei Pistolenläufe
auf Rachmika gerichtet.
    »Noch etwas, Miss Els«, sagte der Quästor und
schaute über die Schulter.
    »Ja?«
    »Sie haben vor kurzem mit einem Herrn gesprochen?« Er
musterte sie mit schmalen Augen. »Nun, ich kann Ihnen nur
abraten…«
    »Wovon?«
    »Sich mit seinesgleichen einzulassen.« Der Quästor
schaute zerstreut in die Ferne. »In der Regel empfiehlt es sich
nicht, mit Observatoren oder anderen Pilgern einer ähnlich
strengen Glaubensrichtung zu verkehren. Doch nach meiner Erfahrung
ist es besonders unklug, mit Menschen Bekanntschaft zu
schließen, die in ihrem Glauben wankend geworden
sind.«
    »Es ist aber doch wohl meine Sache, mit wem ich mich
unterhalte?«
    »Natürlich, Miss Els, bitte nehmen Sie mir die Warnung
nicht übel. Sie entspringt einzig und allein der großen
Güte meines Herzens.« Er steckte seinem Tierchen einen
Krümel in den Mund. »Nicht wahr, Peppermint?«
    »Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein«,
erklärte das Geschöpf.
     
    Die Karawane überwand die Auffahrt zur Ostseite der
Brücke. Einen Kilometer vor dem Pfeiler bog die Straße in
die Felswand hinein und führte durch einen engen Hohlpass mit
scharfen Haarnadelkurven und tückischen Steigungen, der sie,
kurz unterbrochen von Tunneln und offenen Simsen, auf die Höhe
der Brückendecke brachte. Hinter ihnen lag die Landschaft wie
eine unüberwindliche Eiswüste mit riesigen Blöcken.
Vor ihnen erstreckte sich die Brückendecke wie eine
perspektivische Zeichnung aus dem Bilderbuch, gerade wie ein
Gewehrlauf, nach beiden Seiten hin offen, zur Mitte hin leicht
aufgewölbt, schimmernd wie diamanthartes Eis im
Sternenschein.
    Sobald der Untergrund eben wurde und keine unmittelbaren
Hindernisse mehr zu befürchten waren, steigerte die Karawane die
Geschwindigkeit und raste auf den Punkt zu, wo der Boden zu beiden
Seiten hin abfiel. Die Fahrbahn wurde glatter und breiter, es gab
keine Furchen, keine Steinschläge und keine mannshohen Spalten
mehr. Und es gab kaum noch Pilger, denen man ausweichen musste. Die
meisten Pilger mieden die Brücke, und so war das Risiko, dass
einer oder auch mehrere Unglückliche unter den Wagen zermalmt
wurden, nur noch gering.
    Rachmika musste ihre Einschätzung der Größe des
Bauwerks mehrmals nach oben korrigieren. Sie erinnerte sich, dass der
Brückenkörper von ferne einen leichten Bogen beschrieben
hatte. Von hier aus erschien die Decke jedoch flach und eben wie mit
einem Laser ausgerichtet, bis sie weit vorne im Nichts verschwand.
Als sie versuchte, sich diesen Widerspruch zu erklären, wurde
ihr fast schwindlig. Sie erkannte, dass sie im Moment wohl nur einen
kleinen Teil der Decke sehen konnte. Es war wie beim Aufstieg auf
einen Berg von der Form einer Halbkugel: Der Gipfel lag unterhalb der
Sichtlinie.
    Sie ging zu einem anderen Aussichtsfenster und schaute nach
hinten. Das erste halbe Dutzend Fahrzeuge dieser Karawanenkolonne
befand sich inzwischen auf der Brücke. Die schroffen Klippen
blieben zurück, und sie konnte zum ersten Mal ermessen, wie tief
die Spalte tatsächlich war.
    Es ging erschreckend steil hinab. Die Geologie hatte mit
titanischen Klauen ihre Spuren in die Klippenwände gegraben,
senkrechte und waagrechte, schräge oder aufgerollte oder mit
geradezu obszöner Geschmeidigkeit ineinander gefaltete Schichten
waren zu sehen. An den Wänden glitzerte und funkelte blaugraues
Eis zwischen dunkleren Streifen von Sedimentgestein. Das Sims, auf
dem die Karawane gefahren war, lag nun zur Linken und erschien viel
zu schmal und unsicher für eine Straße, besonders für
einen Zug mit einem Gewicht von fünfzigtausend Tonnen. Jetzt sah
Rachmika, dass sich die Klippe unter dem Sims oft beängstigend
nach innen wölbte. Sie hatte sich auf der Fahrt nie ganz sicher
gefühlt, war aber doch überzeugt gewesen, dass der Boden
unter den Wagen mehr als ein paar Dutzend Meter dick wäre.
    Der Quästor ließ sich nicht mehr sehen, solange sie auf
der Brücke waren. Binnen einer Stunde

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