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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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die Pferde zurückhält, bis das
Schiff die Bucht verlassen hat, muss jemand runtergehen und mit ihm
reden. Und wer, glauben Sie, hat diesen Strohhalm
gezogen?«
    »Ich glaube, sie meint es ernst«, sagte Vasko.
    »Tun Sie, was sie sagt«, befahl Scorpio.

 
Hela

2727
     
     
    Die Karawane schob sich vorsichtig durch Tunnel und über
lächerlich schmale Simse. Der Weg schlängelte sich in
vielen Windungen dahin, manchmal sogar gegen die Fahrtrichtung,
sodass die hinteren Teile des Zuges vorwärts fuhren, die
Maschinen an der Spitze aber wieder zurück.
    In einer der Haarnadelkurven befand sich ein Teil der Karawane mit
ihren stampfenden Motoren und Antriebssystemen sogar über dem
anderen, sodass Rachmika von oben auf die Observatoren auf ihren
Plattformen hinabschauen konnte.
    Die Brücke wurde immer größer. Anfangs hatte sie
ausgesehen wie ein filigraner, in allen Regenbogenfarben schillernder
Kupferstich auf flachem schwarzem Hintergrund. Jetzt verfestigte sie
sich langsam, wurde dreidimensional und wirkte leicht bedrohlich. Das
war keine Fata Morgana, kein Trugbild des Lichtes und der
Atmosphäre, sondern ein reales Objekt, und die Karawane gedachte
allen Ernstes, es zu überqueren.
    Rachmika fand die Dreidimensionalität beunruhigend und
tröstlich zugleich. Die Brücke war jetzt mehr als nur ein
Bündel von unendlich dünnen Linien, und obwohl viele ihrer
Bauteile im Querschnitt immer noch sehr dünn waren, sahen sie
von der Seite her nicht mehr ganz so zerbrechlich aus. Wenn sie sich
selbst tragen konnte, würde sie auch die Karawane aushalten.
Hoffentlich.
    »Miss Els?«
    Sie blickte sich um. Diesmal war es wirklich Quästor Jones.
»Ja?«, sagte sie wenig begeistert.
    »Bald sind wir auf der anderen Seite. Ich hatte Ihnen ein
spektakuläres Erlebnis versprochen, nicht wahr?«
    »Das ist richtig«, sagte sie. »Aber Sie haben mir
noch nicht erklärt, Quästor, warum nicht jeder diese
Abkürzung nimmt, wenn sie so gut ist, wie Sie
behaupten.«
    »Aberglaube«, sagte er, »verbunden mit
übertriebener Vorsicht.«
    »Übertriebene Vorsicht halte ich in Zusammenhang mit
dieser Brücke durchaus für angebracht.«
    »Sie haben doch nicht etwa Angst, Miss Els? Dazu besteht kein
Anlass. Die Karawane wiegt insgesamt knapp fünfzigtausend
Tonnen. Und das Gewicht verteilt sich naturgemäß über
eine große Länge. Wir wollen schließlich nicht mit
einer Kathedrale über die Brücke fahren. Das
wäre nun wirklich Wahnwitz.«
    »Wer käme schon auf eine solche Idee?«
    »Niemand, der bei Verstand ist. Was beim letzten Mal
passierte, sollte jeden abschrecken. Aber das braucht uns nun
wirklich nicht zu kümmern. Die Brücke wird die Karawane
tragen. Es wäre nicht das erste Mal. Ich hätte auch keine
größeren Bedenken, sie jedes Mal zu benutzen, wenn wir uns
vom Weg entfernen, aber die Wahrheit ist schlicht und einfach,
dass uns das meistens nichts einbrächte. Sie haben selbst
gesehen, wie mühsam die Anfahrt ist. In der Mehrzahl der
Fälle würden wir mit der Brücke mehr Zeit verlieren
als gewinnen. Diesmal ist es aus verschiedenen Gründen
anders.« Der Quästor klatschte energisch in die Hände.
»Kommen wir zur Sache. Ich konnte Ihnen eine Stelle in einem
Räumtrupp beschaffen, der zu einer Adventistenkathedrale
gehört.«
    »Zur Morwenna?«
    »Nein. Zur Eisernen Katharina, einer etwas kleineren
Kathedrale. Jeder fängt einmal klein an. Wieso sind Sie
überhaupt so erpicht darauf, auf der Morwenna zu
arbeiten? Dekan Quaiche ist nicht immer ganz einfach. Der Dekan der Katharina ist ein guter Mann. Seine Sicherheitsbilanz ist
ausgezeichnet, und er behandelt seine Leute ordentlich.«
    Sie bemühte sich, ihre Enttäuschung nicht allzu deutlich
zu zeigen. »Ich danke Ihnen, Quästor«, sagte sie. Sie
hatte immer noch auf eine Anstellung in der Verwaltung gehofft, wo
sie mit den Räumarbeiten nicht zu tun hätte. »Sie
haben Recht. Es ist besser als gar nichts.«
    »Die Katharina fährt mit der Hauptgruppe der
Kathedralen von Westen her auf die Spalte zu. Wir treffen sie,
nachdem wir die Brücke überquert haben, kurz bevor sie die
Fahrt über die Teufelstreppe antritt. Sie können sich
glücklich preisen, Miss Els. Nur wenige Menschen bekommen die
Chance, die Absolutionsschlucht zweimal in einem Jahr zu
überqueren, schon gar nicht innerhalb weniger Tage.«
    »Ich weiß es zu schätzen.«
    »Dennoch will ich noch einmal wiederholen, was ich Ihnen
schon anfangs sagte: Die Arbeit ist schwierig, gefährlich

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