Offene Rechnungen
gesprochen. Das werden Sie sicherlich prüfen können.«
Frank musste ihr zubilligen, dass sie schnell die Ausrede gefunden hatte. Beim Toten war dessen Handy nicht aufzufinden gewesen, wodurch Arianes Aussage weder bestätigt noch widerlegt werden konnte. Frank war sich sicher, dass die Frau die Sache mit dem verschwundenen Handy sehr wohl gewusst hatte.
»Hallo, Ariane. Hauptkommissar Reuter?«
Esther folgte der ins Wohnzimmer stürmenden rothaarigen Frau, die kurz die Hausherrin begrüßte und dem Arzt zunickte, nur um sich dann an Frank zu wenden.
»Allerdings. Frau Dr. Wagenknecht, nehme ich an?«
»So ist es, Herr Reuter. Ich weise Sie darauf hin, dass meine Patientin unter einem Trauma leidet. Behandeln Sie Ariane Wiese bitte mit der erforderlichen Vorsicht!«
Interessiert registrierte Frank die kämpferische Haltung der adretten Psychologin.
»Ist notiert, Frau Doktor. Es ist Ihnen sicherlich bewusst, dass Ihre Anwesenheit ein reines Zugeständnis meinerseits darstellt. Als Psychologin steht es Ihnen üblicherweise nicht zu, aber das wissen Sie vermutlich genauso gut wie ich. Durch die Anwesenheit von Doktor Vester ist eine medizinische Versorgung ausreichend gewährleistet.«
Frank schmunzelte, als er das Aufblitzen in den blauen Augen der Psychologin bemerkte. Sie schien eine echte Kämpferin zu sein, was er als angenehme Abwechslung zu den bisherigen Rendsburgern aufnahm.
»Danke für die Belehrung, Herr Reuter. Wie ich sehe, haben Sie meine Patientin bereits stark aus dem Gleichgewicht gebracht. Hältst du die Belastung für tragbar?«
Beschützend legte die einen Kopf größere Psychologin ihren Arm um die schmalen Schultern von Ariane Wiese, während sie den Arzt fragend anschaute.
»Ich muss meiner Kollegin zustimmen, Herr Reuter. Sie setzen eine bereits traumatisierte Frau zusätzlich unter Druck. Ich kann eine gewisse medizinische Gefährdung nicht völlig ausschließen. Möchten Sie das wirklich riskieren?«, stellte der Arzt sich auf die Seite der Frauen.
Simon hatte sich bisher zurückgehalten, da es keine objektiven Gründe zum Einschreiten gegeben hatte. Innerlich sah er es zwar völlig anders und hätte am liebsten einen Arm beschützend um die schmalen Schultern von Ariane gelegt, aber diese Einschätzung bewegte sich auf einer völlig anderen Ebene. Umso leichter fiel es dem Arzt aber, sich der eher psychologischen Beurteilung von Juliane Wagenknecht anzuschließen.
»Tja, das ist nun einmal Teil meines Jobs. Die Aufregung ergibt sich daraus, dass uns das Verhalten von Frau Wiese am Abend des Mordes unklar ist. Möchten Sie Ihre Aussage mit dem Anruf auf dem Handy Ihres Mannes so aufrechterhalten, Frau Wiese?«
Alle Blicke gingen zu der Gefragten, die einen winzigen Augenblick zögerte, bevor sie zustimmend nickte.
»Wie Sie meinen. Außer diesem ominösen Anruf haben Sie aber nichts weiter unternommen, um mit Ihrem Mann in Verbindung zu treten?«
»Nein.«
Auch mit dieser knappen Antwort verhielt Ariane Wiese sich wie die meisten Lügner. Ihr war aufgegangen, wie gefährlich jede weitere Behauptung sein könnte. Frank Reuter wusste sofort, dass er bei dieser Witwe noch einige Geheimnisse aufdecken würde.
»Gibt es irgendwelche Zeugen, die Sie an dem Abend hier zu Hause gesehen haben könnten?«
Ariane schüttelte nur den Kopf.
»Haben Sie vielleicht mit jemandem telefoniert oder per E-Mail Kontakt gehabt?«
Erneutes Kopfschütteln musste Frank als Antwort reichen. Aufmerksam verfolgte er den veränderten Ausdruck in den Augen der Befragten, der immer lauernder geworden war.
»Ich denke, damit hat Ihnen Frau Wiese ausreichend Rede und Antwort gestanden. Weitere Fragen können sicherlich warten, Herr Hauptkommissar. Oder?«
Dr. Wagenknecht nahm zum zweiten Mal die Beschützerrolle für ihre Patientin an.
»Wäre der Mord am gestrigen Abend passiert, hätte ich solche Spielräume noch. Mittlerweile sind jedoch ganze zwei Tage vergangen und die sollten ausreichen, um mit dem ersten Schock fertig zu werden. Wir werden Sie sicherlich nochmals befragen müssen, Frau Wiese. Ich würde es begrüßen, wenn Sie uns dann ehrlicher antworten.«
Frank wies die Therapeutin knapp in ihre Schranken, bevor er sich an die Witwe wandte. Beide Frauen sahen ihn entgeistert an, nur Oberkommissarin Helmholtz schaute forschend ins Gesicht von Ariane Wiese. Offenbar funktionierten die Instinkte der Kollegin wieder und so hatte sie auch gespürt, dass Ariane ihnen etwas verschwieg.
»Auf Wiedersehen.«
Frank nickte
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