Offene Rechnungen
er eigentlich das Mädchen nicht einfach losließ und nach Hause ging. Was machte er nur hier?
»Herr Harmsen?«
Juliane hatte schon eine ganz trockene Kehle vom Sprechen, wollte den offensichtlich verwirrten Mann aber im Gespräch halten. Solange er mit ihr redete, würde er dem Mädchen nichts antun. Mit einer müden, langsamen Geste hob der Sportlehrer den Kopf.
»Wenn Sie nicht in ein Café möchten, können wir auch zu Ihnen nach Hause fahren. Was meinen Sie?«
Robert fand den Vorschlag eigentlich ganz gut. Doch etwas störte ihn dabei. Natürlich! Was sollte Elke von ihm denken, wenn er eine hübsche Unbekannte mit ins Haus brachte. Was dachte die Frau sich bloß? Wut überflutete Roberts Gedanken, wodurch er seine Armmuskulatur unwillkürlich anspannte. Miriam konnte nur noch leise wimmern, so sehr schnürte ihr der Griff mittlerweile die Luft ab.
»Schon gut, Herr Harmsen! Wenn Sie das nicht möchten, bleiben wir doch einfach hier. Soll ich uns Kaffee besorgen lassen?«
Juliane spürte die veränderte Haltung und lenkte umgehend ein, was zu ihrer grenzenlosen Erleichterung funktionierte. Harmsen entspannte sich ein wenig, lockerte den Griff und schien über ihren Vorschlag nachzudenken.
»Frank, Juliane? Ich habe Elke Harmsen hier. Sie hat darauf bestanden, auch Dana mitzunehmen. Möglicherweise kann die Tochter Robert am ehesten zur Aufgabe bewegen. Das meint jedenfalls seine Frau.«
Esther setzte den Hauptkommissar und die Psychologin knapp ins Bild. Beiden war die ungeheure, psychische Anspannung vom Gesicht abzulesen.
»Wir versuchen es zunächst nur mit der Frau«, befahl Reuter.
Esther nickte und kehrte zum Passat zurück, um Elke zu holen. Mit steifen Bewegungen folgte die Frau des Sportlehrers der Oberkommissarin ins Freibad. Als sie ihren Ehemann in der grotesken Haltung auf der anderen Seite des Schwimmbeckens erblickte, entfuhr ihr ein leiser Entsetzensschrei.
»Elke?«
Robert war erneut in wirre Gedanken versunken, hatte längst das Angebot mit dem Kaffee vergessen. Er überlegte, ob er mit seiner Frau und Tochter am kommenden Wochenende nach Büsum fahren sollte. Dort gab es ein kleines Café, das sie vor zwei Jahren entdeckt und sofort ins Herz geschlossen hatten. Der leise Aufschrei unterbrach die Überlegungen und als er aufblickte, stand auf einmal Elke bei den Fremden.
»Robert. Was machst du denn da? Lass bitte die Miriam los und komm zu mir. Dana wartet da hinten im Auto auf uns«, rief seine Frau ihm zu.
Juliane hatte der Ehefrau einige Instruktionen erteilt, wie sie mit ihrem verwirrten Mann sprechen sollte. Vor allem sollte Elke ihrem Mann keine Vorwürfe machen.
Robert sah erstaunt nach unten und erkannte in dem Mädchen das er im Arm hielt tatsächlich eine Schülerin von sich. Was machte Miriam Sonntag denn hier?
»Dana wartet im Auto? Sollen wir nach Büsum fahren?«
Stimmt, das war ja seine Idee gewesen. Robert schaute voller Freude zu seiner Frau, die ihm aufmunternd zunickte.
»Ja, Robert. Genau. Dana und ich freuen uns schon so sehr darauf. Lass uns nach Büsum fahren!«
Frank warf der Ehefrau von Harmsen einen anerkennenden Seitenblick zu, als sie mit Tränen in den Augen, aber fester Stimme auf die wirren Aussagen ihres Mannes einging. Auch Esther bewunderte Elke Harmsen für diese Leistung und verfolgte mit Erleichterung, wie Harmsen sich immer weiter entspannte.
»Sorry, Miriam. Ich habe jetzt keine Zeit mehr, weißt du. Ich fahre mit meiner Familie nach Büsum.«
Robert entschuldigte sich bei seiner Schülerin und ließ sie sanft zu Boden gleiten. Ihm war immer noch nicht bewusst, was er mit Miriam im Freibad eigentlich gewollt hatte. Voller Vorfreude lief er um das Schwimmbecken herum, ging zu Elke und legte den Arm um ihre Schultern.
»He, du musst doch nicht gleich weinen. Freust du dich so sehr auf unseren kleinen Ausflug?«, musste Robert lachen, als er die Tränen im Gesicht seiner Frau entdeckte.
Er hob die Hand, um die Tränen wegzuwischen, als völlig unerwartet zwei Polizisten ihn packten und zu Boden warfen.
»He, was machen Sie denn da?«
Während Gerd Pietschmann und Frank Reuter den überrumpelten Robert Harmsen in ihre Gewalt brachten, rannten Esther, Juliane und ein Notarzt um den Rand des Schwimmbeckens zur leblos im Gras liegenden Miriam. Ein Kollege von Pietschmann führte die Eltern des Teenagers aufs Gelände, die vor Angst um ihre Tochter kurz vor einem Nervenzusammenbruch waren.
*
Frank Reuter hatte den Staatsanwalt über die rasante
Weitere Kostenlose Bücher