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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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gab’s?«
    »Hmm, irgendeinen Braten, glaube ich. Rostbraten mit Yorkshire-Pudding.«
    »Klingt lecker.«
    »Jedenfalls habe ich ihm alles erzählt. Und ihm die Umschläge und die anonyme Nachricht gegeben. Er war ziemlich interessiert.«
    Ich nickte. »Davon gehe ich aus.«
    »Glaubst du, nach all den Jahren lassen sich noch Fingerabdrücke feststellen?«
    »Ich weiß es nicht, Tess. Es ist ziemlich lange her, und du hast sie wahrscheinlich selbst mehr als einmal angefasst. Ich bin kein Spurensicherungsexperte. Abagnall wird sicher das Richtige tun. Und falls dir sonst noch etwas einfallen sollte, ruf ihn an.«
    »Das hat er auch gesagt. Er hat mir seine Visitenkarte gegeben. Sie steckt jetzt an der Pinnwand über dem Telefon, direkt neben dem Foto von Grace und Goofy. Ich stehe gerade davor. Kaum zu unterscheiden, die beiden.«
    »Okay«, sagte ich. »Dann weiß ich ja so weit Bescheid.«
    »Umarme Cynthia ganz fest von mir«, sagte sie.
    »Mache ich. Alles Gute, Tess.« Ich legte auf.
    »Hat sie’s dir erzählt?« fragte Cynthia, als ich ins Schlafzimmer kam.
    »Hat sie.«
    Cynthia war bereits im Nachthemd und lag auf demBett. »Den ganzen Abend wollte ich mit dir schlafen, aber jetzt bin ich einfach nur noch todmüde.«
    »Kein Problem«, sagte ich.
    »Verschieben wir’s auf ein andermal?«
    »Klar. Wir könnten Grace doch übers Wochenende bei Tess unterbringen und hoch nach Mystic fahren. Uns ein Zimmer in einer kleinen Pension nehmen.«
    Cynthia überlegte. »Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich bei Grace bleibe. Ich habe kein gutes Gefühl.«
    Ich setzte mich auf die Bettkante. »Wieso?«
    »Das habe ich doch schon bei Dr. Kinzler gesagt. Ich kann sie hören. Es kommt mir vor, als würden sie mit mir sprechen, als wären sie mit mir im selben Raum und doch wieder nicht, als müsste ich nur die Hand ausstrecken, um sie berühren zu können – aber wenn ich es dann tue, ist es, als würden sie sich in Rauch auflösen. Von einer Sekunde auf die andere sind sie nicht mehr da.«
    Ich beugte mich zu ihr hinunter, küsste sie auf die Stirn. »Hast du Grace schon gute Nacht gesagt?«
    »Als du mit Tess gesprochen hast.«
    »Schlaf ruhig. Ich gehe noch kurz zu ihr.«
    Wie üblich hatte Grace das Licht ausgemacht, um die Sterne besser betrachten zu können. »Na, alles roger?«, fragte ich und schloss die Zimmertür hinter mir, damit das Licht aus dem Flur nicht hereinschien.
    »Sieht so aus«, sagte Grace.
    »Gut.«
    »Willst du mal gucken?«
    Da ich mich nicht bücken wollte, zog ich mir denIkea-Stuhl von ihrem Schreibtisch heran und setzte mich vor das Teleskop. Mit zusammengekniffenem Auge blickte ich hinein, sah aber nichts als Dunkel und ein paar winzige, kaum erkennbare Lichtpünktchen. »Okay, und was soll ich hier sehen?«
    »Die Sterne«, sagte Grace.
    Ich wandte mich zu ihr und grinste. »Super Aussicht«, sagte ich. Ich hielt mein Auge wieder an das Okular und versuchte, das Objektiv ein wenig schärfer zu stellen, aber mit einem Mal verrutschte das Teleskop.
    »Oh!«, stieß ich überrascht hervor. Das Klebeband, mit dem Grace das Teleskop notdürftig befestigt hatte, hatte sich gelockert.
    »Habe ich doch gesagt«, maulte sie. »Das Stativ taugt nichts.«
    »Okay, okay«, sagte ich und spähte erneut durch das Okular, doch plötzlich blickte ich nicht mehr ans nächtliche Firmament, sondern auf den überdimensional vergrößerten Bürgersteig vor unserem Haus.
    Und auf einen Mann, der offenbar unser Haus beobachtete.
    Sein Gesicht war völlig verzerrt und kaum zu erkennen. »Was, zum Teufel, macht der Kerl da?«, sagte ich, mehr zu mir selbst als zu Grace, und stürmte zum Fenster.
    »Wer?«, fragte Grace.
    Sie trat neben mich, gerade noch rechtzeitig, um ebenfalls mitverfolgen zu können, wie sich der Unbekannte im Eiltempo aus dem Staub machte.
    »Du rührst dich nicht vom Fleck«, sagte ich, lief aus dem Zimmer, stürzte die Treppe hinunter und aus der Haustür. Ich rannte die Einfahrt hinunter und spähte indie Richtung, in die der Kerl verschwunden war. Etwa vierzig Meter entfernt leuchteten die Bremslichter eines am Bordstein geparkten Wagens auf, während der Fahrer den Motor startete.
    Ich war zu weit entfernt, um im Dunkeln das Nummernschild erkennen zu können, ehe der Wagen um die Ecke bog. Dem Motorengeräusch nach zu urteilen handelte es sich um ein älteres Modell. Es schien ein dunkel lackiertes Auto zu sein, aber ob es nun blau, braun oder grau war, ließ sich beim besten Willen

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