Ohne ein Wort
misslungener Deal, bei dem er von ein paar Konkurrenten getötet wurde.«
Cynthia schüttelte ungläubig den Kopf. »Wurden die Täter gefasst?«
»Das war nicht mehr nötig«, sagte Abagnall. »Anthony Flemings Männer haben die Sache selbst geregelt und im Gegenzug die Hälfte der anderen Gang massakriert – die Verantwortlichen und ein paar andere Typen, die bedauerlicherweise zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Vermutlich hat Vince Fleming den Rachefeldzug selbst geleitet, aber er konnte nichtbelangt werden.« Abagnall nahm sich noch ein Plätzchen. »Hmm, eigentlich sollte ich mir meinen Hunger fürs Abendessen aufheben.«
»Aber was hat das mit Cynthia und ihrer Familie zu tun?«, fragte ich.
»Im Grunde gar nichts«, sagte der Detektiv. »Ich habe mich nur ein bisschen über Vince schlaugemacht – und jetzt frage ich mich, was er wohl damals für ein Mensch war. In der Nacht, als die Familie Ihrer Frau verschwunden ist.«
»Glauben Sie, er hatte etwas damit zu tun?«, fragte Cynthia.
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er gute Gründe hatte, wütend zu sein. Ihr Vater hatte ihm das Date mit Ihnen vermasselt, und das war sicher nicht nur für Sie verletzend. Eine peinliche, demütigende Situation. Und sollte er tatsächlich etwas mit dem Verschwinden Ihrer Eltern und Ihres Bruders zu tun gehabt haben, dann …« Er senkte die Stimme. »Nun ja, sein Vater hätte sowohl die Mittel als auch das Knowhow gehabt, die Spuren zu verwischen.«
»Aber das ist doch seinerzeit sicher von der Polizei überprüft worden«, sagte ich. »Sie sind doch bestimmt nicht der Erste, dem diese Verbindung aufgefallen ist.«
»Da haben Sie recht. Die Polizei hat Nachforschungen angestellt. Aber sie haben nichts Konkretes herausgefunden. Und Vince hatte eben ein Alibi von seiner Familie. Er hat damals ausgesagt, er sei direkt zu seinen Eltern gefahren, nachdem Clayton Bigge seine Tochter mit nach Hause genommen hatte.«
»Das würde immerhin eines erklären«, sagte Cynthia.
»Was?«, fragte ich.
Abagnall lächelte. Offenbar ahnte er bereits, was Cynthia sagen wollte.
»Die Tatsache, dass ich noch lebe«, fuhr Cynthia fort. »Schließlich war Vince ziemlich verknallt in mich.«
»Mag ja sein, dass er einen Hass auf deinen Vater hatte«, sagte ich. »Aber er hatte nichts gegen deinen Bruder.« Ich wandte mich zu Abagnall. »Haben Sie dafür auch eine Erklärung?«
»Vielleicht hatte Todd einfach das Pech, ein unliebsamer Zeuge gewesen zu sein.«
Wir schwiegen einen Augenblick. Dann sagte Cynthia: »Er hatte ein Messer.«
»Wer?«, fragte Abagnall. »Vince?«
»Ja. Als wir in seinem Wagen saßen, hat er mir sein Messer gezeigt. Eins von der Sorte, deren Klinge herausschnappt.«
»Ein Springmesser«, sagte Abagnall.
»Genau«, sagte Cynthia. »Ich weiß noch, wie ich es in der Hand gehalten habe.« Ihre Stimme wurde leiser und leiser. »Mir ist so schwindelig.«
Ich legte den Arm um sie. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
»Ich … ich gehe nur mal eben ins Bad«, sagte sie und erhob sich schwankend. Besorgt sah ich ihr hinterher und hörte, wie sie die Treppe hinaufging.
Abagnall blickte ihr ebenfalls hinterher. Als die Badezimmertür ins Schloss fiel, beugte er sich zu mir und fragte: »Was hat sie denn?«
»Ich weiß es nicht genau«, sagte ich. »Das Gespräch strengt sie offenbar sehr an.«
Abagnall nickte und schwieg einen Moment. »Mit seinen illegalen Geschäften hat Vince Flemings Vater eine Menge Geld verdient. Wenn er sich für die Tat seines Sohns irgendwie verantwortlich fühlte, wäre es ihm problemlos möglich gewesen, der Tante Ihrer Frau Geld zukommen zu lassen.«
»Tess hat Ihnen die anonyme Nachricht gezeigt, nicht wahr?«
»Ja. Sie hat mir sowohl die Nachricht als auch die Umschläge gegeben. Ihre Frau weiß noch nichts davon, oder?«
»Nein. Aber ich denke, Tess wird sie in Kürze einweihen. Zumal Cynthia endlich die Wahrheit erfahren will – Ihr Auftrag ist doch der beste Beweis dafür.«
Abagnall nickte nachdenklich. »Jedenfalls sollten Sie mit offenen Karten spielen. So kommen wir am ehesten weiter.«
»Wir wollten Tess sowieso morgen Abend besuchen. Dann können wir die Sache ja klären.«
»Gute Idee.« Sein Mobiltelefon klingelte. »Bestimmt meine Frau«, sagte er, während er das Handy aus der Jackentasche nahm, runzelte dann aber die Stirn und steckte das Gerät wieder ein. »Die können auch eine Nachricht hinterlassen.«
Cynthia kam die Treppe
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