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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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wies auf ihr Telefon. Eine Taste blinkte. »Einfach draufdrücken«, sagte sie.
    Ich griff nach dem Hörer und drückte auf die Taste. »Cynthia?«
    »Terry, ich …«
    »Ich wollte dich auch anrufen. Es tut mir leid wegen gestern Nacht. Ich hätte das nicht sagen dürfen.«
    Die Sekretärin setzte sich und tat so, als würde sie nicht zuhören.
    »Terry …«
    »Vielleicht sollten wir einen anderen Privatdetektiv einschalten. Ich meine, nachdem sich Abagnall nicht mehr meldet, aus welchen Gründen auch immer …«
    »Terry, sei doch endlich mal still.«
    Abrupt verstummte ich.
    »Es ist etwas passiert«, sagte Cynthia mit leiser, fast atemloser Stimme. »Ich weiß jetzt, wo sie sind.«

FÜNFUNDZWANZIG
    »Manchmal macht es mich echt wahnsinnig, wenn du nicht wie verabredet anrufst«, sagte sie.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Aber ich habe gute Neuigkeiten. Es geht los.«
    »Hervorragend. Wie pflegte Sherlock Holmes zu sagen? Das Spiel hat begonnen. Oder war es Shakespeare?«
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    »Du hast ihr die Nachricht also zukommen lassen?«
    »Ja.«
    »Aber jetzt musst du noch ein bisschen länger bleiben. Abwarten, was passiert.«
    »Sowieso«, sagte er. »Kommt garantiert in den Nachrichten.«
    »Am liebsten würde ich es mir aufnehmen.«
    »Ich bringe dir die Zeitungen mit.«
    »Das wäre nett«, sagte sie.
    »Über Tess habe ich nichts mehr gelesen. Anscheinend hat die Polizei nichts weiter herausbekommen.«
    »Wirklich ein glücklicher Zufall. Alles spielt uns in die Hände.«
    »In den Nachrichten war noch was anderes. Ein Bericht über den verschwundenen Privatdetektiv. Den Schnüffler, den sie angeheuert hat.«
    »Glaubst du, sie finden ihn?«, fragte sie.
    »Schwer zu sagen.«
    »Tja, nicht unsere Baustelle«, sagte sie. »Du klingst ein bisschen nervös.«
    »Bin ich auch.«
    »Klar, jetzt wird es riskant, aber es ist die Mühe wert. Und anschließend kommst du her und holst mich ab.«
    »Und er? Meinst du, er wird sich nicht fragen, warum du nicht mehr vorbeikommst?«
    »Er kriegt sowieso nicht mehr viel mit«, sagte sie. »Es geht zu Ende. Vielleicht noch ein Monat, mehr Zeit bleibt ihm nicht mehr.«
    »Glaubst du, er hat uns je geliebt?«, fragte er.
    »Er hat nur sie geliebt.« Sie gab sich keine Mühe, den bitteren Unterton in ihrer Stimme zu kaschieren. »Aber war sie je für ihn da? Hat sie sich jemals um ihn gekümmert? Wer hat denn seine Probleme für ihn gelöst? Und nichts als Undank habe ich dafür geerntet! Wir sind diejenigen, denen unrecht getan worden ist. Wir hätten eine richtige Familie sein können. Was jetzt passiert, ist nur gerecht.«
    »Ich weiß«, sagte er.
    »Womit kann ich dich erfreuen, wenn du wieder nach Hause kommst?«
    »Wie wär’s mit einem Karottenkuchen?«
    »Aber gern. Das ist ja wohl das Mindeste, was eine Mutter für ihren Sohn tun kann.«

SECHSUNDZWANZIG
    Ich rief bei der Polizei an und hinterließ eine Nachricht für Detective Rona Wedmore, die Beamtin, die mich nach Tess’ Bestattung befragt hatte. Ich bat sie, so schnell wie möglich bei uns vorbeizukommen, und hinterließ unsere Adresse, obwohl ich mir sicher war, dass sie genau wusste, wo wir wohnten. Außerdem sagte ich, der Grund meines Anrufs habe nicht direkt mit dem Verschwinden Abagnalls zu tun, könnte aber möglicherweise damit in Verbindung stehen.
    Ich sagte, es sei eilig.
    Dann rief ich Cynthia an und fragte, ob ich sie von der Arbeit abholen sollte, aber sie meinte, das sei nicht nötig. Ich verließ die Schule, ohne jemanden über die Gründe zu informieren, ging aber davon aus, dass sich die Kollegen allmählich an mein seltsames Verhalten gewöhnten. Während meines Telefonats im Sekretariat war Rolly kurz aus seinem Büro gekommen und hatte mir verwundert hinterhergesehen, als ich aus dem Gebäude gehetzt war.
    Cynthia war ein, zwei Minuten vor mir zu Hause. Sie stand in der Tür, einen Briefumschlag in der Hand.
    Den reichte sie mir. Auf dem Umschlag stand nur ein Wort: Cynthia. Keine Briefmarke. Mit der Post war der Brief also nicht gekommen.
    »Jetzt haben wir ihn beide angefasst«, sagte ich, während mir urplötzlich aufging, dass uns die Polizei dafür womöglich die Hölle heißmachen würde.
    »Ist doch egal«, sagte Cynthia. »Lies schon.«
    Ich förderte ein zusammengefaltetes Blatt Schreibmaschinenpapier zutage. Auf der Rückseite befand sich eine grobe, mit Bleistift gezeichnete Skizze. Ein paar sich kreuzende Linien stellten Straßen dar; ein paar Häuser

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