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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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zusammen und vergrabe den Kopf unterm Kissen. Mehr Klopfen, etwas gedämpft durch das Füllmaterial in meinem Kissen.
    »Cameron?«
    Nein. Kein Geklopfe. Kein Cameron. Cameron schläft.
    Das Kissen wird mir mit Gewalt vom Kopf gerissen.
    »Cameron? Es ist zehn!«
    Ich öffne ein Auge und sehe, dass es – ja, ja – zehn Uhr ist. Zehn Uhr und null null. Null – meine Lieblingszahl. Wie: null Erwartungen gleich null Enttäuschungen.
    »Zehn Uhr. Eine gute Zeit zum Schlafen für Jungs im Wachstum«, murmle ich. »Nacht, Mom.« Ich grapsche nach dem Kissen, aber Mom hat es noch fest im Griff.
    »Du hast deinem Vater versprochen, heute den Rasen zu mähen.«
    »Hab ich das?«
    »Ja, das hast du. Vergangenen Samstag, nachdem du vergessen hast, den Rasen zu mähen, wie du’s die Woche vorher versprochen hattest.«
    Ich kann mich schwach daran erinnern, aber ungelogen, alles, woran ich jetzt denke, ist der Geschmack in meinem Mund. Der Stoff hat mir einen derartigen Kater beschert, dass ich schwören könnte, kleine Straßenbaukolonnen von Kobolden haben die ganze Nacht hart dran gearbeitet, meine Zunge mit schmutzigem Teer zu bestreichen.
    »Okay. Ich mach’s später«, murmle ich.
    »In einer Stunde kommt Dad vom Tennis zurück.«
    »Also fang ich dann an.« Ich will mir das Kissen krallen – vergebens. Mom hält es außer Reichweite. »Du arbeitest heut bei
Buddha Burger
, mein Schatz.«
    Mein fröhlicher Was-darf’s-denn-sein-Nebenjob, den mir meine Eltern aufgedrängt haben. Ich habe bisher nur vier Wochen dort gearbeitet und schon fühle ich mich, als ob mir ständig meine Seele aus dem Leib gesaugt wird.
    »Ich meld mich krank.«
    »Cameron, glaubst du wirklich, dass das eine gute Idee ist? Sie könnten meinen, du seist unzuverlässig.«
    Vermutlich ist das ein schlechter Zeitpunkt, darauf hinzuweisen,
dass
ich unzuverlässig bin.
    »Das geht schon. Irgendjemand springt für mich ein.«
    Ich greife mir das Kissen. Mom bleibt noch im Zimmer stehen. Ich kann spüren, wie sie mit sich ringt. Andere Mütter würden wütend werden, explodieren oder mich mit den entschlossenen Worten aus dem Bett zerren: »Junger Mann, es wird Zeit, dass du lernst, was Verantwortung ist.« Bei T V-Movies würde man das den »großen Wendepunkt« nennen. Und am Ende des Films, wenn sie mich mit anständigem Haarschnitt und Graduiertenhut auf dem Kopf bei der Überreichung des Begabtenstipendiums Schrägstrich der Präsidentschaftsurkunde Schrägstrich des Diploms als Krebsheiler ins Bild rücken, am Ende des Filmswürde ich meiner Mom danken, und es gäbe eine fantastische Großaufnahme ihres tränenüberströmten Gesichts, und alle stünden da und würden ihr applaudieren.
    Aber so ist meine Mutter nicht. Sie ist wie ich – Treibholz. Nach wenigen Sekunden höre ich ihre quietschenden Schuhe den Rückzug antreten.
    »In Ordnung«, sagt sie, bevor sie die Tür schließt. »Aber mach wenigstens mit dem Rasentrimmer den Vorgarten.«
    »Na klar«, verspreche ich, lasse mich zurückfallen und schlafe weiter.
     
    Ich wache Viertel nach elf auf. Das ist fünfzehn Minuten bevor ich eigentlich meine Sechs-Stunden-Schicht bei
Buddha Burger
antreten sollte – zwanzig Minuten Busfahrt von hier entfernt. Scheiße. Ich greife mir meine Uniform – schwarze Hose, weißes Button-down-Hemd mit einer meditierenden Buddhakuh, die über einem Hamburgerbrötchen schwebt, und einen bekloppten, falschen tibetanischen Mönchshut. Dann putze ich mir die Zähne und schaue mich noch mal um, ob ich was vergessen habe. In diesem Augenblick sehe ich die lange Feder am Boden liegen und das Unheimliche der vergangenen Nacht kehrt in meine Erinnerung zurück. Was zum Teufel war da los?
Hallo
. Eine Feder, die Hallo sagt.
    Aber jetzt steht da nichts mehr. Soweit ich weiß, liegt diese Feder schon lange bei mir rum, und vergangene Nacht hatte ich nur irgendeinen indischen Hanfausraster. Ich werfe sie in den Mülleimer und renne nach unten.
    Nach einem zweitklassigen Geplänkel mit Mom darf ich das Turdmobil benutzen, ihre kackbraune Kiste von Auto. Es ist hässlich, aber es fährt, und es ist besser als der Bus, wenn man spät dran ist. Den ganzen Block entlang sind dieVorgärten voll von Männern auf Rasenmähertraktoren. Sie sind die Herrscher über diese paar Quadratmeter Boden. Ein Hoch den Actionhelden der Vorstadt! Leg dich nicht mit diesen Männern an – sie haben Rasentrimmer und sie wissen sie zu benutzen! Also mal ehrlich, man erwartet von mir gute Noten,

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