Ohne Ende Leben - Roman
man erwartet von mir, auf ein gutes College zu gehen und keinen Mist zu bauen – und das alles, damit ich eines Tages so ende? Danke, ohne mich.
Dad – noch in seiner weißen Tenniskleidung – schubst den Powermäher auf unserem bereits makellosen Rasen herum. Unsere Blicke treffen sich für eine Nanosekunde, und dann bückt sich Dad, um ein besonders hartnäckiges Stück Rasen zu untersuchen. Als ich das Turdmobil die Garagenausfahrt hinuntersteuere, schiebt er den Rasenmäher immer und immer wieder über denselben Fleck, bis sich der Rebell Dads Willen beugt.
Sieben Minuten nach Schichtbeginn bin ich bei
Buddha Burger
– was, wenn du mich fragst, innerhalb der Toleranzgrenze liegt. Der Manager, Mr Babcock, sieht das anders. Er wartet an der Uhr und sein buschiger Schnurrbart zieht sich zu einem haarigen M zusammen. Er wirft mir einen finsteren Blick zu, schaut zuerst auf die Uhr, dann auf mich.
»Hi, Mr Babcock«, sage ich und stemple die Stechuhr.
»Du bist spät dran, Cameron.« Wow. Und Sie, Sir, sind unglaublich aufmerksam.
»Ja, Sir. Tut mir leid. Ich musste den Wagen meiner Mutter nehmen und er ist mir ein paarmal abgesoffen …«
»Cameron, ich geb dir einen guten Rat, mein Sohn. Keine Erklärungen, keine Ausflüchte.«
Er starrt mich bedeutungsvoll an. Das Handbuch der menschlichen Interaktion sagt mir, dass ich jetzt eigentlichetwas erwidern sollte, etwas, das belegt, dass ich die Botschaft verstanden habe.
»Ja, Sir. Das ist ein guter Rat, Sir.«
Er legt mir den Arm um die Schulter, als ob er mein Lebensberater wäre. »Keine Ahnung, wie deine familiäre Situation ist, mein Sohn.« In seinem schleppenden Tonfall klingt »Situation« so, als hätte das Wort zehn Silben. »Vielleicht hast du zu Hause einen Daddy, vielleicht hast du auch keinen. Aber hier bei
Buddha Burger
möchte ich uns gerne als Familie verstanden wissen. Du weißt, was das bedeutet?«
Gibt es
noch
einen Ort, an dem ich mich scheiße fühlen muss, gekränkt und ausgestoßen?
»Das soll heißen, dass ich so etwas wie dein Daddy bin, während du hier arbeitest. Und wenn ich sage, dass du zu deiner Schicht rechtzeitig erscheinen sollst, oder sogar zehn Minuten früher, dann mein ich das so. Hast du verstanden?«
»Ja, Sir«, sage ich. Mr Babcock tätschelt meine Schulter. Ich wette, er fühlt sich jetzt innerlich ganz kuschelig, weil er »wieder einen jungen Menschen auf den Pfad der Tugend führen« durfte. Ich nehme mir vor, ihm bei Gelegenheit »Kick me« auf den Rücken seines Hemdes zu schreiben.
Heute arbeite ich mit Lena. Einfach großartig. Lena ist die buchstabentreueste Person, die ich kenne, mit dem Herz und der Seele eines Bezirksstaatsanwalts. Wenn Lena Schichtführerin ist, dann erwartet sie von dir, dass du dir den Arsch aufreißt – kein Sprung rüber zum Walk-In auf ne heimliche Zigarette oder so tun, als ob man die Toiletten dreißig Minuten lang putzt. Dienst nach Vorschrift – von A bis Z.
Sie drückt mir einen Putzlappen in die Hand. »Wieder spät dran, Cameron.«
»Grade mal sieben Minuten. Das ist nicht wirklich spät, Lena.«
Sie wirbelt herum, Hände an den Hüften. »Ja? Das sind sieben Minuten, in denen ich deine Arbeit miterledigen muss. Das ist nicht lustig.«
»Das ist doch keine große Sache.« Ich treibe mich selber an, platziere die Serviettenhalter auf dem Tresen, aber ich spüre ihren Blick auf mir, als ob sie direkt das Herz meines inneren, verantwortungslosen Schweinehundes ins Visier nimmt. Ich schaue hoch. Sie betrachtet mich genau.
»Darf ich dich etwas fragen, Cameron?«
»Das hast du doch gerade getan. Oder meinst du eine Zusatzfrage?«
Lena macht sich nicht einmal die Mühe, diese Bemerkung mit einem neuen Gesichtsausdruck zu würdigen. »Was ich dich fragen will: Was stimmt eigentlich nicht mit dir?«
Sie starrt mich mit diesen großen braunen Augen an und wartet. Und was ich ihr sagen will, ist:
Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht
.
»Dann geh ich mal die Tische abwischen.«
Lena – gleichzeitig Richter und Geschworene – schüttelt langsam den Kopf. Und dann tut sie etwas, was ich nie könnte. Sie legt das, was eben passiert ist, zu den Akten, setzt ein Lächeln auf und wendet sich dem nächsten Gast zu. »Hi, willkommen bei
Buddha Burger
. Was kann ich für Sie tun?«
Nur noch sechs weitere lustige Stunden.
Die Tischplatten sind total versaut. Jeder Quadratzentimeter der Tische aus Bambusimitat ist mit den klebrigen,matschigen Überresten von
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