Ohne Ende Leben - Roman
Spanglisch ziemlich hinterher. Dieser Don Quijote ist wirklich ein lustiger Kerl. Keine Minute ist da beim Lesen verschwendet.«
»Ihr lest
Don Quijote
?«, fragt Mutter. »Wusstest du, dass Cervantes als erster Romanschreiber der Neuzeit gilt?«
»Nein. Toll! Gut. Ich mach mich jetzt mal besser dran.« Ich verschwinde nach oben, kann die beiden aber noch in der Küche streiten hören.
»Also, möchtest du zu
Luigi’s
?«, fragt Dad und seine Stimme klingt ärgerlich.
»Wie du willst«, antwortet Mom.
»Wir könnten Sushi essen gehen.«
»Das wär schön. Dann könnte ich nur einen Salat bestellen.«
»Mary, wenn du keine Sushi möchtest, dann sag es einfach.«
»Nein, nein, ist schon gut. Du weißt doch, ich hasse es, mich zu entscheiden.«
Ich weiß, wie ihr Abend verlaufen wird: wie die Wiederholung einer Show, die du schon tausend Mal gesehen hast. Am Ende landen sie immer bei
Luigi’s
, wo Dad Hof halten und den großen Macker spielen kann und Mom mit der Entscheidung kämpft, was sie nehmen soll, bis Dad etwas für sie bestellt, was sie nicht mag, sie dann im Essen herumstochert und ihn schließlich auf hundertachtzig bringt. Dann murmelt Dad irgendetwas von dass sie nichts essen müsse, wenn es ihr nicht schmecke, und Mom kontert mit einer großen Show, indem sie einen Bissen kostet und sagt, nein, nein, es schmecke ihr, aber nach all dem sei ihr der Appetit vergangen. Sie werden ihren Gesprächsstoff ausgereizt haben – seine Arbeit, ihre Arbeit, uns Kinder –, bevor die Vorspeise serviert wird, und für den Rest der Mahlzeit werden sie in Schweigen verfallen. Dabei suchen ihre Blicke Bekannte, die an ihren Tisch kommen, um sich vor dem jeweils anderen retten zu lassen.
Ja. Ich denke, darauf kann ich dankend verzichten. Aber offensichtlich sieht Dad das anders. Er klopft an meine Tür und öffnet sie gleichzeitig – eine Gewohnheit, die ich mehr als ärgerlich finde. Ist doch wahr, warum klopft er dann überhaupt?
»Cameron, zieh dich an. Wir gehen alle zu
Luigi’s
.«
»Ich dachte, Jenna hat was vor«, stottere ich. »Wenn Jenna nicht mitkommt, sollte ich auch davon befreit werden.«
»Es geht um die Familie«, sagt Dad. »Niemand wird hier freigestellt.«
Luigi’s
wirbt damit, ein Ort »für Familien und Freunde« zu sein. Es fällt mir schwer, beides im selben Satz zusammenzubringen. Luigi ist ein ganz netter Kerl – untersetzt, Glatzkopf, stammt aus New Jersey. Seine Frau Peri ist eine blonde Amazone und spricht einen breiten Slang. Anders als meine Eltern sind Luigi und Peri wirklich ein Pärchen und verrückt aufeinander, und ich frage mich: Warum ist das so, dass die einen verliebt bleiben und die anderen nicht.
»Hallo zusammen! Willkommen bei
Luigi’s «
, sagt Peri und begrüßt uns bereits an der Eingangstür mit laminierten Speisekarten.
»Hallo, Peri. Seit wann beginnt Ihre Arbeit denn an der Tür?«, scherzt Dad und lässt seinen Charme sprühen.
Peri lacht. »Ich weiß! Könn’ Sie’s glauben, dass mich Lou endlich Hostess spielen lässt? ’n ganzes Jahr hab ich drum gebettelt. Hat mich sogar ne Prüfung machen lassen und so’n Zeugs. Könn’se sich das vorstellen?«
»Das war die einzige Möglichkeit, mit dir mehr Zeit zu verbringen«, sagt Luigi und küsst ihre Wange.
Peri strahlt. »Immer noch der alte Romantiker.«
»Lassen Sie sich’s schmecken«, sagt Luigi.
Peri führt uns hinter die Trompe-l’œil-Wand, die eine italienische Gartenlandschaft zeigt. Die rot-weiß karierten Tischdeckchen sind mit Nelken geschmückt und mit übervollen Körbchen mit Knabbergebäck. Peri platziert uns an einem Tisch direkt neben dem offenen Kamin mit künstlichen Flammen, die so bizarr blauorange flackern, dass sie nicht mal vortäuschen, echt zu sein.
»Ist das nicht nett?«, sagt Dad, öffnet seine Speisekarte und verdrängt uns irgendwie. Mom macht es ihm nach. Jenna sieht miserabel aus, aber sie ist zu sehr das brave Mädchen, als dass sie Dad zu enttäuschen wagt. Deshalbhat sie klein beigegeben. Ich wollte, ich hätte vorher Zeit genug für einen Joint gehabt, damit ich das alles wenigstens irgendwie amüsant finden könnte.
»Wer hat uns was Schönes zu erzählen?«, sagt Dad, nachdem wir bestellt haben und die Knabberzeugkörbchen geplündert sind. Wir brauchen alle etwas zum Kauen, damit das, was uns auf der Zunge brennt, nicht versehentlich aus unseren Mündern springt.
»Ich hab was«, sagt Jenna und lächelt wie bestellt. »Ihr wisst, dass die
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