Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
angeben müssen. Mein Urteil basierte allein auf der Qualität des Produktes, und im Vergleich mit meinen heimatlichen Produkten, schnitt der Koreaner schlichtweg besser ab. Kurze Zeit später war Ömer stolzer Besitzer eines Samsung-Fernsehers.
Nachdem ich einige Tage nichts mehr von Ömer gehört hatte, rief er mich plötzlich an. Er beklagte sich, dass der koreanische Fernseher, den ich ihm angedreht hätte, nur auszuschalten sei, wenn man das Netzteil aus der Steckdose ziehe. Während des Gespräches ließ mich das komische Gefühl nicht los, als machte Ömer mich für die Misere schuldig, so als hätte ich den koreanischen Fernseher mit meinen eigenen Händen zusammengebaut. Ich forderte Ömer auf, den Herstellungsort des Fernsehers nachzuprüfen, was er auch sofort tat.
»Made in Slovakia«, sagte Ömer in den Telefonhörer.
»Da liegt die Wurzel allen Übels! Es sind die äußerlichen Einflüsse!«, scherzte ich mit ihm.
Sein Versprechen hielt Ömer, der mich zu einem Vietnamesen meiner Wahl einlud. Da sich Ömer allerdings nur widerwillig gen Osten aufmacht, begab ich mich in den Westen. Ich zog ihn auf und sagte ihm, dass die Türkei nie in die EU aufgenommen werde, wenn sie die Ostphobie nicht ablegen würde.
Beim Treffen wirkte Ömer bedrückt. Bei der Süßsauer-Suppe fing Ömer an, über sein Land zu klagen. Er könne es nicht verstehen, dass er mit seinen Qualifikationen nur Ablehnungen bekäme. Ich sagte, er dürfe die Geduld nicht verlieren, seine Zeit würde gewiss noch kommen.
»Ich bin am Ende meiner Geduld!«, antwortete Ömer.
»Ich kann dich gut verstehen! Auch ich bin am Ende meiner Geduld!«, erwiderte ich.
Dann kamen wir auf sein Singleleben zu sprechen und dass er es satthabe, einsam um die Häuser zu ziehen. Er sei seit Jahren bereit für die Liebe, doch keine Frau wolle mit ihm eine Bindung eingehen. Auch in der Hinsicht versuchte ich, Ömer zu beruhigen, und ermutigte ihn, dass alles seine Zeit brauche und der Grund allen Übels der Hundekot auf den Straßen sei. Denn statt Ausschau nach Singlemännern zu halten, schauen die Frauen lieber auf den Boden, um den Tretminen auszuweichen. Deswegen ist Berlin die Hauptstadt der Singles, begründete ich meine Theorie.
Ömer fing an zu lachen und antwortete: »Ich danke dir, dass wir uns gegenseitig mit Lügen aufbauen. Ich meine, was die Arbeits- und Heiratsmarktintegration anbelangt!«
»Nein«, entgegnete ich ihm voller Idealismus. »Das wird schon noch alles kommen. Erst die Arbeit, dann die Liebe. Oder vielleicht umgekehrt. Alles wird gut!«, fügte ich hinzu.
»Inschallah, inschallah«, sagte Ömer und griff nach der Reisschüssel.
DEXTRO ENERGY
I n der Stadt läuft der Hase anders als auf dem Land. Als zwei vietnamesische Frauen mit ihren Kinderwagen die U-Bahn-Treppe hinaufwollten, wurden sie von einem türkischen und einem deutschen Mann dabei unterstützt. Ich kam zu spät. Der türkische und der deutsche Mann waren mir um einige Schritte voraus. Hinter den zwei vietnamesischen Müttern bildete sich eine Menschentraube, in die ich mich notgedrungen einreihte, den vietnamesischen Müttern dicht auf den Fersen.
Plötzlich tippte mir eine ältere Dame mit ihrem Gehstock auf den Rücken. Ich dachte, ich sollte ihr mit den Einkaufstüten helfen – bis sie mir diesen abschätzigen Blick zuwarf.
Was mir denn einfalle, sagte sie und rückte mir dabei unangenehm nahe. »Warum lassen Sie diese fremden Männer die schweren Kinderwagen nach oben schleppen, und Sie schauen genüsslich dabei zu?«, fauchte sie mich an. »Das haben wir ja gerne«, sagte sie, »erst Kinder auf die Welt setzen und sich dann aus der Verantwortung stehlen.«
Ich schwöre, dass ich der älteren Dame alles erklären wollte. Aber ich wollte auch keine Debatte lostreten. Berliner sind für ihr rhetorisches Geschick berüchtigt. Die vietnamesischen Frauen drehten sich zu mir um, blickten mich mit bittersüßem Lächeln an, unternahmen aber nichts, um meine vermeintliche Vaterschaft zu bestreiten. Ich schaute mich ratlos um, hob wortlos meine Hände, um den anderen Menschen zu zeigen, dass ich vollkommen unschuldig sei und für den sicherlich wundervollen Inhalt der zwei Kinderwagen keinerlei Verantwortung trage; aber was jetzt noch nicht ist, könne auch immer noch werden. Es geht doch immer um Energie und Kreativität.
In meinem Kiez in Friedrichshain habe ich bei meinen Exkursionen immer wieder Neues entdeckt. Aus dem erfolglosen deutschen Kartoffelimbiss
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