Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
kurdische Imbissbesitzer unter Gewalteinfluss hochkant rausschmissen, nachdem er die Herkunft des Fleisches hinterfragt hatte.
So bleiben die täglich über eine Million verkauften Döner ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis; genauso, wie Currywurstbetreiber aus guten Gründen die Zutaten ihrer Soße nie verraten würden.
Ich sagte zu Ömer, dass nicht nur die türkischen Imbissbetreiber allergisch auf die Frage nach der Herkunft ihres Produktes reagierten, sondern auch die Menschen, wenn man sie nach ihrem Migrationshintergrund befrage.
Er könne die ganze Scheiße über Migrationshintergrund nicht mehr hören, entgegnete mir Ömer sichtlich genervt. Schließlich habe er einen deutschen Pass und sei in Kreuzberg aufgewachsen, und doch begegne man ihm überall mit türkischer Sprache, vor allem bei den Behörden und den zahlreichen Berufsberatungszentren. Als wäre man als Türkischstämmiger behindert, fügte Ömer noch hastig hinzu.
Jedenfalls erschien es uns als förderlicher, die Freundschaft mit einem Haloumi und Ayran zu besiegeln.
Ömer hatte Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität und am Pariser Institut d’Etudes Politiques studiert. Sein Master-Abschluss erfolgte vor sieben Jahren. Danach dümpelte er durch mehrere unentgeltliche Praktika unterschiedlicher Politikverbände, bis er sich im Superwahljahr 2009 in einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigungsmaßnahme, kurz AGH, des Jobcenters wiederfand, dessen Ziel es war, Ömer aus seiner Langzeitarbeitslosigkeit zu befreien und in den »ersten« Arbeitsmarkt zu integrieren.
Politikwissenschaftler gebe es wie Sand am Meer, wurde er vom Jobcenter angeklagt. Ömer war sich sicher, dass die Politik so kurz vor den Wahlen wieder einmal die Arbeitslosenzahlen beschönigen wollte, indem sie möglichst viele Arbeitslose in irgendwelche sinnlosen Maßnahmen steckte, um die Chance auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Er sei auf den harten Boden der Migrantenrealität in Deutschland gefallen, sagte Ömer. Doch die Hoffnung wolle er nicht aufgeben, und er bemühe sich weiterhin bei seinen Bewerbungen, versicherte mir Ömer und nahm dabei einen großen Schluck Ayran. Vor kurzem habe er sich als Referent im Bundespräsidialamt und im Familienministerium beworben. Bei Letzterem habe er sich sogar anonym bewerben können, beeilte er sich hinzuzufügen.
Ich sprach ihm Mut zu. Schließlich konnte ich seine negativen Erfahrungen mit dem ersten Arbeitsmarkt gut nachvollziehen. Unsere Diskussion wurde immer politischer. Ich sagte ihm, dass der zweite Arbeitsmarkt vor allem ein Tummelplatz für gut ausgebildete Migranten sei, die man mit AGH-Maßnahmen zum Schweigen bringen wolle. Nur dort ist kulturelle Vielfalt ein Gewinn. Ömers Bildung, Kenntnisse und Sprachfähigkeiten sind auf dem zweiten Arbeitsmarkt gefragt. Er sein gefragt. Nicht als Führungsverantwortlicher, sondern als einfache Servicekraft, die ihren türkischen »Landsleuten« mit Behördenschreiben oder Übersetzungsdiensten unterstützend zur Seite stehe.
In der Maßnahme, in die er gesteckt wurde, erlebte er kuriose Dinge. Ein einheimischer Kollege, der keinerlei interkulturelle Kompetenzen vorweisen konnte und aus seiner Abneigung gegenüber ausländischen Kunden keinen Hehl machte, ließ sich zum Sozialassistenten mit Schwerpunkt Migrationssozialarbeit weiterqualifizieren.
Wie viele der Sarrazin-Jünger arbeiten noch als Migrationssozialberater?, fragte sich Ömer.
»Darüber gibt es keine Statistiken«, versicherte ich ihm.
Über Döner und den zweiten Arbeitsmarkt kamen wir auf koreanische Flachbildfernseher zu sprechen. Ömer liebäugelte nämlich damit, einen koreanischen Fernseher zu kaufen. Dabei verzichtete er gänzlich auf die Expertenmeinungen sämtlicher Berliner Elektronikhändler, und nötigte mich dazu, ein Qualitätsurteil abzugeben, wovon er den Kauf des Produktes abhängig machen wollte. Erst hatte ich Bedenken, weil ich von Flachbildfernsehern so viel Ahnung habe wie ein Hahn vom Eierlegen, aber Ömer bestach mich mit einer Einladung zum Mittagsmenü bei einem Vietnamesen meiner Wahl, der sich später als seine Wahl entpuppte. Ömer kannte meine Schwachstelle. Denn mit Essen, egal welcher Herkunft, kann man mich leicht bestechen.
Letzten Endes empfahl ich Ömer, das koreanische Produkt zu kaufen. Nun kann man meinen, dass ich es aus patriotischen Gründen tat. Doch dem ist nicht so. Denn dann hätte ich die noch »deutschen« Unternehmen Medion oder Telefunken
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