Ohne Gewaehr
Als er schließlich aufstand, um auf die
Toilette zu gehen, fragte sie mich sofort neugierig: »Was war denn vorhin
zwischen euch los? Du hast ihn ganz komisch angesehen, richtig aufgebracht.
Stimmt etwas nicht?«
Doch ich schüttelte nur den Kopf. »Nein, er hat mir bloß
gute Besserung gewünscht.«
Meine Freundin musterte mich noch einmal mit kritischem
Blick, sagte aber nichts.
Der Abend verlief fröhlich, Katies Mitbewohner waren tatsächlich
die geborenen Unterhalter und schafften es zeitweilig sogar, mich von meinen trüben
Gedanken abzulenken. Doch ich versuchte mir immer wieder vorzustellen, was
Daniel jetzt wohl machte, ob er auf mich wartete oder vor lauter Wut bereits
meine Sachen aus der Suite geschmissen hatte.
»Du siehst traurig aus«, erklang Konstantins Stimme
dicht an meinem rechten Ohr. Sofort schreckte ich aus dem Stuhl hoch. Mein Puls
raste.
»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Aber
ich warte schon den ganzen Abend auf eine Gelegenheit, mich ungestört mit dir
zu unterhalten. Wollen wir eine Weile zusammen reingehen? Hier draußen hören
uns zu viele Leute zu.«
Ich starrte ihn an. Ob ich mit meinem Mörder allein
sein wollte? Ganz sicher nicht! Darum schüttelte ich abwehrend den Kopf. »Worum
geht es denn?«
Er blickte sich nach allen Seiten um, bevor er mir
antwortete, wollte sichergehen, dass uns niemand zuhörte. »Worum es geht? Um
die Kameras natürlich!«
Ach ja, die Kameras. Wie sollte ich ihm das erklären? »Was
ist denn mit den Kameras? Hast du gesehen, was du sehen wolltest?«, fragte ich
und bemühte mich dabei, vollkommen ahnungslos zu klingen.
»Nein, natürlich nicht. Dank dir, denn du hast sie ja schließlich
in der falschen Wohnung installiert!« Er klang aufgebracht und ich ließ meine
Hand wieder unter den Stuhl gleiten.
»In der falschen Wohnung? Wieso das denn?«, täuschte
ich mein Erstaunen vor.
»Tu doch nicht so!«, fuhr er mich wütend an. »Du weißt
ganz genau, wovon ich spreche. Du und Stone – ihr dachtet wohl, das ist ein schöner
Spaß?«
Nun griff Katie ein, die unsere erregte Unterhaltung
anscheinend beobachtet hatte. »Jetzt haltet mal beide die Luft an! Wir machen
uns einen gemütlichen Abend, eure Streitereien könnt ihr später fortsetzen.
Aber solange ihr in meiner Wohnung seid, vertragt ihr euch.«
Konstantin setzte an, etwas erwidern, verstummte aber
unter Katies empörtem Blick sofort wieder. Sie sah von einem zum anderen und
wollte uns wohl miteinander versöhnen. »Eigentlich müsstet ihr euch doch
bestens verstehen, schließlich seid ihr beide mit einem Mörder konfrontiert.
Dein Onkel wurde umgebracht und du wurdest auch fast erschossen.« Sie blickte
uns abwechselnd an.
Erik mischte sich in unsere Unterhaltung. »Vielleicht
war es ja sogar derselbe Kerl. Ich meine, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit,
dass binnen eines Monats erst Wallenstein in Stones Hotel umgebracht wurde und
dann jemand anderes in dessen Wohnung einsteigt. Vielleicht war Konstantins
Onkel das Opfer einer Verwechslung?«
Doch zu meiner Verwunderung schüttelte Katie resolut
den Kopf und erklärte: »Das kann gar nicht sein. Mein Bruder hat behauptet, die
Täterprofile seien total verschieden, die Mordwaffe auch. Konstantins Onkel
wurde mit einem Gürtel erhängt, nachdem ihm jemand mit gezielten Schlägen außer
Gefecht gesetzt hatte. Das muss ein abgebrühter Profi mit Kampfsporterfahrung
gewesen sein. Aber auf Juliet hat man mit einem Revolver geschossen und das nur
ein einziges Mal. Jeder halbwegs intelligente Mörder hätte ein zweites Mal
abgedrückt, um sicherzustellen, dass das Opfer auch wirklich tot ist.«
Matthew sah mitleidig zu mir herüber. Katie kannte kein
Erbarmen, wenn es um das Verbreiten von Neuigkeiten ging. Und ihr Bruder war
eine ernst zu nehmende Informationsquelle, schließlich hatte er beim Boston Globe
Zugang zu allen möglichen Nachrichten.
Konstantin schien sich auch nicht wohlzufühlen, mit
seinem toten Onkel als Mittelpunkt unseres Gesprächs. Als niemand auf Katies
Worte einging, stand sie auf und ging zurück in die Wohnung.
Ich musste mich dazu zwingen, vor Konstantin keine
Grimasse zu ziehen, weil Katie ihn als nicht einmal halbwegs
intelligent bezeichnete hatte. Stattdessen zischte ich ihm gereizt zu: »Fang
bloß nicht wieder mit irgendwelchen Fragen zu diesen verdammten Kameras an! Ich
habe mein Gedächtnis verloren, ich kann mich an fast nichts erinnern. Also frag
mich was Leichteres.« Dann wandte ich
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