Ohne jede Spur
Mr
Jones
», sagte Max schließlich. Er klang nun sehr viel weniger jovial. Im Gegenteil, stinksauer. Der reiche, mächtige Mann musste zurückstecken.
«Wirklich nicht? Du solltest wissen, dass heute dank digitaler Technik letztlich alle Informationen zugänglich sind, insbesondere für Leute, die wissen, wonach sie suchen müssen.»
«Wie wahr. Dann weißt du auch, dass es mir sehr wohl möglich ist, dir auf die Finger zu klopfen.»
«Du redest dich um Kopf und Kragen. Wann bist du in Boston angekommen?»
«An welchem Tag bist du meiner Tochter zum ersten Mal begegnet?», konterte Max leichthin.
«Bist du mit einem Leihwagen unterwegs, oder lässt du dich fahren?»
«Wirst du dich freiwillig einem Vaterschaftstest unterziehen, oder willst du warten, bis dich das Familiengericht dazu zwingt?»
«Streng dich nicht an. Wir sind hier in Massachusetts. Bei uns gibt’s die Schwulenehe, und bei fraglichem Sorgerecht zählen nicht die biologische Herkunft, sondern das Kindeswohl und die Verlässlichkeit der angenommenen Elternschaft.»
«Bildest du dir etwa ein, in Rechtsfragen besser Bescheid zu wissen als ich, Junge?»
«Ich habe vor kurzem einen Artikel über einen Großvater geschrieben, der das Sorgerecht für seinen Enkel einzuklagen versuchte, weil er dessen lesbische Eltern missbilligte. Das Gericht ließ ihn abblitzen.»
«Interessant. Auch schon mal was von einer einstweiligen Verfügung gehört?»
Jason schaute zum Fenster hinaus und erstarrte beim Anblick eines uniformierten Polizisten, der auf sein Haus zuschritt.
«Zum Beispiel dann, wenn Gefahr im Verzug ist?», fuhr Max unbeeindruckt fort und gluckste wieder. «Eine solche Verfügung kann erwirkt werden, ohne dass die Gegenseite überhaupt gehört wird. Du, mein Junge, bist der Hauptverdächtige in einem Ermittlungsverfahren und wirst mir wohl recht geben müssen, dass es nicht im besten Interesse des Kindes sein kann, unter der Obhut eines Mannes zu stehen, der allem Anschein nach die Kindsmutter um die Ecke gebracht hat.»
«Du verfluchter Mist–», zischte Jason.
Die Türglocke läutete.
«Du solltest öffnen», sagte Max. «Wir – das sind meine Person und die gesamte freie Welt – können dich sehen.»
Tatsächlich erblickte Jason seinen Schwiegervater neben einem der Übertragungswagen. In hellblauem Zwirn und mit kunstvoll frisiertem Silberhaar, hielt er ein Handy am Ohr und winkte ihm zu, sichtlich zufrieden darüber, ihn, Jason, mit seinem Anruf abgelenkt und an der Strippe gehalten zu haben, während die Cops aufmarschierten. Wieder klingelte es an der Tür.
«Ich geh schon, Daddy», trällerte Ree.
Mochte geschehen, was sich ohnehin nicht abwenden ließ. Jason war schon einmal gestorben, vor fast fünfundzwanzig Jahren. Nur, diesmal würde es noch schlimmerkommen. Seine gesamte Welt zerbrach. Ree stand auf Zehenspitzen vor der Tür, öffnete das erste Schloss, das zweite –
Dann machte sie dem uniformierten Beamten die Tür auf.
Er hielt ein gefaltetes Blatt weißen Papiers in der Hand und schaute über Ree hinweg in die Küche auf Jason, der immer noch den Hörer ans Ohr gepresst hielt.
«Jason F. Jones.»
Jason legte den Hörer ab und kam dem Beamten wie ferngesteuert und mit vor sich ausgestreckten Armen entgegen.
«Ich habe Ihnen hier was auszuhändigen», sagte der Polizist und reichte ihm das Blatt Papier, worauf er sich auf dem Absatz umdrehte und auf die Straße zurückkehrte, wo eine Phalanx von Fotografen Stellung bezogen hatte.
Jason faltete das Blatt auseinander und las einen richterlichen Beschluss, der ihn aufforderte, seine Tochter morgen Vormittag um elf zum öffentlichen Spielplatz zu führen, um dort mit ihrem Großvater zusammenzutreffen, dem eine Stunde Besuchszeit eingeräumt worden war. Ferner hieß es, dass nach einer ausführlichen Anhörung, die in vier Wochen stattfinden sollte, über eine Besuchsregelung entschieden werde. Bis zu diesem Zeitpunkt habe Maxwell M. Black das Recht, seine Enkelin Clarissa Jane Jones täglich eine Stunde lang zu sehen.
Täglich. Max und Ree. Er würde sie sehen, mit ihr reden, sie berühren. Und Jason war es untersagt, die beiden zu beobachten. Er war gezwungen, seine Tochter einemMann zu überlassen, der sich am Missbrauch seines eigenen Kindes mitschuldig gemacht hatte.
«Was ist, Daddy?», fragte Ree neugierig. «Hast du etwas gewonnen? Was hat dir der Mann gebracht?»
Jason faltete das Blatt Papier zusammen und steckte es in die Tasche.
«Nichts
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