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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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weggeschnappt, sie in den gottverdammten Norden geschleppt und mich nicht einmal zur Hochzeit eingeladen, geschweige denn über die Geburt meiner Enkelin informiert. Unter Familiensinn verstehe ich etwas anderes, Sohn.»
    «Du hast recht. An deiner Stelle würde ich nie mehr ein Wort mit uns reden.»
    Er lachte wieder freundlich glucksend. «Kannst dich also glücklich schätzen, Sohn», fuhr Max fort. «Ich habe mir die Sache noch einmal reiflich überlegt und bin mit mir ins Gericht gegangen. Wir sprechen über meine einzige Tochter und mein Enkelkind. Es wäre töricht, wenn wir es zuließen, dass die Vergangenheit unserer Zukunft im Wege stünde.»
    «Wenn Sandra wieder da ist, werde ich ihr deine Worte mitteilen.»
    «Rechnest du tatsächlich mit ihrer Rückkehr?»
    «Allerdings», antwortete Jason entschieden.
    «Ist deine Frau mit einem anderen Mann durchgebrannt, Sohn?»
    «Davon scheinen viele auszugehen.»
    «Hast du sie nicht glücklich machen können? Versteh mich nicht falsch, ich habe sie großgezogen und war nach dem Tod ihrer lieben Mutter allein für sie verantwortlich. Ich weiß, wie schwierig und anspruchsvoll sie sein kann.»
    «Sandra ist eine wunderbare Frau und großartige Mutter.»
    «Zugegeben, ich war überrascht zu erfahren, dass meine Tochter den Lehrberuf ergriffen hat. Ich habe mich heute Morgen mit dem Rektor ihrer Schule unterhalten. Wie war noch gleich sein Name   … Phil, Phil Stewart? Er hat sie in den höchsten Tönen gelobt. Es scheint also, meine Tochter ist gut bei dir aufgehoben. Das gefällt mir, Sohn, wirklich.»
    «Ich bin nicht dein Sohn.»
    «Na schön, Jason
Jones

    Jason hörte wieder den scharfen Unterton, die versteckte Drohung. Er biss die Zähne aufeinander.
    «Du kannst mich nicht besonders gut leiden, nicht wahr, Jason?»
    Er antwortete nicht, zumal der Richter mit sich selbst zu sprechen schien. «Ich kann mir nicht erklären, warum. Wir zwei haben kaum ein Wort miteinander gewechselt. Du hast meine Tochter gewollt und sie bekommen. Du wolltest Georgia verlassen und hast meine Tochter mitgenommen. Ich müsste zornig auf
dich
sein. Dazu hätte ich als derjenige, der im Stich gelassen wurde, allen Grund. Aber was habe ich dir getan, Sohn? Wieso grollst du mir?»
    «Du warst deiner Tochter kein guter Vater», hörte sich Jason sagen. «Sie hat dich gebraucht, aber du warst nicht für sie da.»
    «Wovon um alles in der Welt redest du?»
    «Von deiner Frau! Ich rede von deiner unmöglichen, versoffenen Frau, die ihrer Tochter mit deiner Duldung Tag für Tag aufs übelste mitgespielt hat. Was ist das für ein Vater, der sein Kind so im Stich lässt? Der untätig mit ansieht, wie es in aller Regelmäßigkeit misshandelt wird?»
    Es entstand eine längere Pause. «Meine Frau soll Sandy misshandelt haben? Hat dir Sandy
das
gesagt?»
    Jason ließ sich mit der Antwort Zeit. «Ja», bestätigte er schließlich.
    «Da muss ich wohl einiges richtigstellen.» Der Richter klang empört. «Meine Frau war weiß Gott keine perfekte Mutter. Zugegeben, sie hat wahrscheinlich mehr getrunken,als ihr guttat, und ich habe damals so viel gearbeitet, dass mir nur wenig Zeit für Missy und Sandra blieb. Ich habe die beiden viel zu oft allein lassen müssen. Das hat gewiss an den Nerven meiner Frau gezehrt, weshalb sie wohl häufig gereizt und schlecht gelaunt war. Aber dass sie Sandra aufs übelste mitgespielt und sie misshandelt hätte   … das erscheint mir doch ein wenig zu melodramatisch.»
    «Deine Frau hat Sandy also nie geschlagen?»
    «‹Wer sein Kind liebt, der züchtigt es.› Sie hat ihr vielleicht manchmal den Hintern versohlt, aber das war auch alles.
    Zugegeben, sie hatte eine Schwäche für Gin. Aber Missy war nie gewalttätig. Wenn sie zu viel getrunken hatte, ist sie ins Bett gegangen. Sie hätte keiner Fliege etwas zuleide getan, schon gar nicht ihrer Tochter.»
    «Und dich hat sie auch nicht mit dem Messer durchs Haus gejagt?»
    «Wie bitte?»,
fragte der Richter schockiert.
    «Sie hat Sandy vorsätzlich verletzt, ihr die Finger im Türrahmen gequetscht, sie gezwungen, Bleichmittel zu trinken und Gegenstände zu schlucken, um anschließend mit ihr ins Krankenhaus zu fahren. Deine Frau war krank, sehr krank.»
    Erneut zog sich das Schweigen hin. Als der Richter wieder sprach, klang er aufrichtig verblüfft. «Das hat Sandy dir erzählt? So etwas sagt sie über ihre Mutter? Kein Wunder, dass du mich schneidest. Absolut verständlich. Ein Wahnsinn ist das   … also

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