Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
der freundliche Reporter?»
    Sie hatten das Foto seines Presseausweises vergrößert, ein Porträt wie aus der Verbrecherkartei mit leerem Blick, der gleichzeitig etwas Bedrohliches hatte.
    «Daddy, das bist ja du!», rief Ree durch den Laden und lief auf den Zeitungsstand zu. Kunden waren aufmerksam geworden und musterten das niedliche Mädchen vor dem erschreckenden Foto. «Warum bist du in der Zeitung?»
    «Das ist die Zeitung, für die ich arbeite», antwortete er leichthin und wäre am liebsten Hals über Kopf nach draußen gerannt.
    «Was steht da?»
    «Dass ich ein freundlicher Mensch bin.»
    Die Kassiererin starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Er warf ihr einen Blick zu und machte sich um seine Wirkung auf andere keine Gedanken mehr. Um Himmels willen, das war seine Tochter.
    «Die nehmen wir mit nach Hause», erklärte Ree. «Mommy wird sie auch sehen wollen.» Sie zog die Zeitungaus dem Ständer und warf sie auf das Laufband. In der Verfasserzeile des Artikels stand, wie er sah, «Greg Barr», der Name seines Chefredakteurs. Jason ahnte nun auch, mit welchen Worten er in diesem Artikel zitiert wurde. Er hatte sie ihm buchstäblich in die Maschine diktiert.
    Er zog seine Brieftasche aus der Tasche, bevor er so wütend wurde, dass er sich nicht mehr beherrschen konnte.
Nimm deinen Einkauf und ab in den Wagen. Nimm deinen Einkauf und ab in den Wagen.
    Fahr zurück nach Hause und lass dich dort belästigen.
    Er reichte der Kassiererin seine Kreditkarte. Sie zitterte so sehr, dass sie den Schlitz des Lesegeräts zweimal verfehlte. Hatte sie Angst vor ihm? Glaubte sie, einen Psychokiller abzukassieren, der womöglich seine Frau erwürgt, zerstückelt und im Hafen hatte verschwinden lassen?
    Er wollte laut auflachen, ahnte aber, dass es sich falsch anhören würde. Zu kalt und gefühllos. Sein Leben war aus dem Lot geraten, und er wusste nicht weiter.
    «Kann ich im Auto Pop-Tarts essen?», fragte Ree. «Kann ich, kann ich, kann ich?»
    Die Kassiererin reichte ihm die Kreditkarte samt Beleg. «Ja, ja, ja», murmelte er. Er unterzeichnete den Beleg, steckte die Kreditkarte zurück und wollte nur noch weg, so schnell wie möglich.
    «Ich liebe dich, Daddy!», triumphierte Ree.
    Er hoffte, dass es alle in diesem verfluchten Laden gehört hatten.

28.   Kapitel
    Als Jason, zu Hause angekommen, die Einkäufe nach mehrmaligem Spießrutenlauf aus dem Auto ins Haus geschafft hatte, war er am Ende seiner Kräfte. Er steckte für Ree eine DVD in den Player und ignorierte das schlechte Gewissen und dessen Mahnung, dass zu viel Fernsehen für seine Tochter schlecht sei, er sich gerade in dieser schweren Zeit mehr um sie kümmern müsse und so weiter und so fort.
    Immerhin hatten sie jetzt genug zu essen, der Kater war wieder zurück und er noch immer auf freiem Fuß.
    Damit musste er sich vorerst zufriedengeben.
    Er packte gerade die Eier aus, als das Telefon klingelte. Ohne vorher auf das Display geschaut zu haben, hob er ab.
    «Wieso ist dein Gesicht so zugerichtet, Schwiegersohn?», fragte Maxwell Black in seinem gedehnten Südstaatenakzent und rief Jason an den Platz zurück, den er nicht einnehmen wollte.
    Glaubst wohl, dein eigener Herr zu sein. Von wegen, du stehst unter meiner Knute, Junge. Du gehörst mir, mit Haut und Haaren.
    «Bin die Treppe runtergefallen», antwortete Jason und zwang sich zur Besinnung. Er versuchte, die Bilder, die sich ihm aufdrängten, zu verbannen.
    Max lachte. Es war ein durchaus freundliches Lachen, das er wahrscheinlich auch im Gerichtssaal hören ließ, oder wenn er Hof hielt auf den Cocktailpartys in der Nachbarschaft. Vielleicht hatte er so auch gelacht, als er das erste Mal von einem Lehrer zaghaft auf Sandy angesprochen worden war.
Sir, mit Verlaub, ich mache mir Sorgen   … um Ihre Tochter. Ich halte sie für gefährdet.
Und vielleicht hatte Max auf dieselbe charmante Weise gelacht.
Ach was, um mein kleines Mädchen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ihr geht es bestens.
    Jason konnte diesen Mann nicht ausstehen.
    «Na schön, Sohn, wir haben uns gestern Nachmittag offenbar auf dem falschen Fuß erwischt», sagte Max.
    Jason antwortete nicht. Das Schweigen zog sich hin. Nach einer Weile fügte Max hinzu: «Deshalb rufe ich an. Um Abbitte zu leisten.»
    «Nicht nötig», entgegnete Jason. «Es reicht mir, wenn du nach Georgia zurückkehrst.»
    «Also hör mal, wenn hier jemand Grund hat, beleidigt zu sein, dann bin ich es doch wohl. Du hast mir meine einzige Tochter

Weitere Kostenlose Bücher