Ohne jede Spur
Besonderes», antwortete er und holte tief Luft. «He, was hältst du davon, wenn wir eine Partie Candy Land spielen?»
Ree gewann dreimal in Folge. Sie hatte spätestens nach jedem vierten Zug die Princess-Frostine-Karte aufgedeckt, also irgendwie gemogelt. Jason war zu abgelenkt, um ihr auf die Finger zu klopfen, weshalb auch sie schnell die Lust verloren hatte. Sie suchte nach Grenzen und Regeln, die Sicherheit boten.
Jason räumte das Spiel weg und machte Mittagessen: Käse-Sandwiches und Tomatensuppe. Ree saß schmollend am Küchentresen und dippte ihr Sandwich in die Suppe. Er rührte nur in seinem Teller herum und sah zu, wie die Croutons blutrot wurden.
Der richterliche Beschluss steckte immer noch in seiner Gesäßtasche, als hätte er zusammengefaltet keine Macht mehr über sein Leben und das seiner Tochter. Jason verstand jetzt, warum es Sandra nicht schwergefallen war, ihr Zuhause und ihren Vater zu verlassen, warum sie während der vergangenen fünf Jahre kein einziges Mal versucht gewesen war, sich bei ihm zu melden.
Maxwell Black setzte seinen Willen durch. Gegen ihn war kein Kraut gewachsen.
«Ich will nach Mommy suchen», erklärte Ree.
«Was?»
Sie blickte von ihrem Teller auf und sah ihn mit trotziger Miene an. «Du hast gesagt, die Polizei und Freunde treffen sich auf dem Schulhof, um Mommy zu suchen. Ich will mitmachen. Ich will, dass Mommy gefunden wird.»
Jason starrte seine Tochter an und fragte sich, welcher Elternratgeber auch für dieses Problem eine Lösung anbieten mochte.
Wieder klingelte es an der Tür. Jason eilte sofort hin.
Sergeant D. D. Warren und Detective Miller standen auf der Veranda. Unwillkürlich hielt Jason nach weiteren Polizisten Ausschau, sah aber nur die beiden Ermittler und rechnete sich aus, dass sie nicht gekommen waren, um ihn festzunehmen. Er ließ sie eintreten.
«Haben Sie meine Frau gefunden?», fragte er.
«Haben Sie schon nach ihr gesucht?», entgegnete D. D.
Immerhin war ihm diese Frau lieber als Max.
Er führte die beiden in die Küche und erlaubte Ree, sich einen Film anzusehen. Daddy müsse sich jetzt mit den beiden netten Polizisten unterhalten, sagte er. Aber Ree verzog das Gesicht und plärrte: «Ich will nach Mommy suchen. Davon kannst du mich nicht abhalten!»
Sie stürmte ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein, zufrieden damit, das letzte Wort behalten zu haben.
«Es war ein anstrengender Tag», erklärte Jason.
«Wir haben doch erst halb zwölf», hob D. D. hervor.
«Herrje, dann habe ich wohl noch zehn schwere Stunden vor mir.»
Ree hatte inzwischen ihre Dino-DVD eingelegt:
In einem Land vor unserer Zeit
.
«Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Oder einen Teller Tomatensuppe?», fragte er halbherzig.
D. D. und Miller schüttelten den Kopf. Sie setzten sich an den Küchentresen. Jason lehnte mit verschränkten Armen am Kühlschrank.
Trauernder Ehemann.
«Was ist mit Ihnen passiert?», fragte D. D.
«Ich bin vor eine Wand gelaufen.»
«Mal mit der einen, mal mit der anderen Gesichtshälfte?»
«Ja, insgesamt zweimal.»
Sie kniff die Brauen zusammen. Er blieb ungerührt. Was sollten sie machen? Ihn einlochen, weil er sich hatte zusammenschlagen lassen?
«Ich würde gern zu Protokoll nehmen, dass wir es nicht waren», meinte Miller.
«Wen meinen Sie mit
wir
?»
«Die Bostoner Polizei. Wir hatten ja noch nicht einmal das Vergnügen, Sie im Präsidium empfangen zu dürfen. Also, die Wand, von der Sie sprechen, kann nicht bei uns gestanden haben.»
«Ich glaube, Ihre Wände nutzen lieber Elektroschocker als Druckmittel. Die waren nicht im Spiel, also kann’s bei Ihnen nicht gewesen sein.»
Jason wusste, dass er sich mit dieser Bemerkung bei Miller nicht beliebter machte, aber der hatte ihn, wie es schien, ohnehin schon als Schuldigen ausgemacht.
«Wann ist es passiert?», fragte D. D., offenbar die Klügere von beiden. «Wir haben Sie nach Ethans Angriff gesehen. Nun scheint aber jemand noch sehr viel heftiger zugelangt zu haben.»
«Vielleicht laufen bei mir Prellungen später an als bei anderen.»
Sie kniff wieder die Brauen zusammen. Er blieb ungerührt. Einen Schlagabtausch dieser Art würde er stundenlang fortsetzen können. Sie wahrscheinlich auch. In dieser Hinsicht waren sie vielleicht verwandt. Von Natur aus dazu berufen, sich gegenseitig anzumachen.
Er sehnte sich nach Sandy. Er wollte seine Frau fragen, ob sie tatsächlich schwanger war. Er wollte ihr sagen, dass er alles
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