Ohne jede Spur
ganze Haus dröhnen ließ. Denn nichts bringt einen Fan von George Winston schneller aus dem Bett als britische Rockmusik.
Wir amüsierten uns köstlich.
Der Samstagabend gehörte der Familie. Am Sonntag erklärte Jason gegen fünf, dass er in die Redaktion müsse. Er musste angeblich recherchieren und den ersten Entwurf für einen Artikel über die irischen Pubs von Southie fertig stellen oder weiß der Henker was. Uns war’s recht. Er hatte am Dienstag Geburtstag, und wir wollten uns darauf vorbereiten.
Ich startete den Computer. Mr Smith sprang auf den Tisch und machte es sich neben dem warmen Monitor bequem, um mir aus seinen goldenen Schlitzaugen zusehen zu können.
Damit der iPod in Gebrauch genommen werden kann, muss man eine bestimmte Software aus dem Netz runterladen und installieren. Was sich kompliziert anhört, ist im Grunde so einfach, dass selbst ich problemlos damit fertig wurde. Das Installationsprogramm verlangte meine Zustimmung, worauf ich auf den Weiter -Button klickte, der ein neues Dialogfeld öffnete. «Na bitte, geht doch wie geschmiert», sagte ich an Mr Smiths Adresse. Er gähnte.
Ree durchsuchte derweil ihre C D-Sammlung . Nach gründlichem Nachdenken gelangte sie zu der Überzeugung, dass zu unserem Potpourri auch Disney-Musik gehören sollte. Vielleicht würde Daddy zu Elton Johns
The Lion King
noch schneller laufen. Und ja, dazu passte dann auch Phil Collins’ schmissiger
Tarzan
.
Der Computer ließ mich wissen, dass iTunes installiert sei und gestartet werden könne. Ree kam mit einem Stoß CDs. Ich las ein paar Instruktionen und zeigte ihr dann, wie eine CD vom Laufwerk auf Daddys iPod zu überspielen war. Was mir wie ein Zauberkunststück vorkam, schien für sie ganz selbstverständlich zu sein. Natürlich mussten wir auch dann den Online-Store besuchen, um ein paar Klassiker von Led Zeppelin und den Rolling Stones runterzuladen.
Sympathy for the Devil
war immer schon eins meiner Lieblingsstücke.
Ehe ich mich’s versah, war es acht Uhr. Zeit für Ree, ins Bett zu gehen. Ich ließ den iPod wieder in der Lade unter den Topflappen verschwinden. Ree sammelte ihre verstreuten CDs ein und stellte sie zurück ins Regal. Dann ging’s ab nach oben, kurz unter die Dusche, Zähne putzen, aufs Töpfchen, zwei Geschichten, ein Lied, einmal noch die Katze am Ohr gekrault und dann endlich Ruhe.
Wieder in der Küche, machte ich mir eine Tasse Tee. Morgen war der erste Montag im September, also Labor Day, gleichzeitig für mich und Ree der letzte Sommerferientag. Danach würde es jeden Morgen heißen, sie in die Vorschule zu bringen und dann selbst zur Mittelschule weiterzufahren. Jason würde sie gegen eins abholen, und ich wäre dann gegen fünf zu Hause, damit er rechtzeitig in die Redaktion kommen konnte. Wir hatten das alles geregelt. Wir würden wieder, zwei Schiffen gleich, aneinander vorbeisegeln und nachts für kurze Zeit Kontakt aufnehmen.
Ich war nervös. Ich war aufgeregt. Ich hatte Angst. Der Job war mir wichtig. Ich wollte etwas für mich haben und
war nach dem ersten Jahr so wie alle anderen überrascht, dass mir die Arbeit als Lehrerin sogar Spaß machte. Die Kinder blickten zu mir auf, lernten von mir und waren dankbar für jedes freundliche Wort. Es gefiel mir, mit dem, was ich tat oder sagte, einen Raum voller Kids glücklich zu machen. Es gefiel mir, wenn mir aus fünfundzwanzig Kehlen «Guten Morgen, Mrs Jones» entgegenschallte. Es war ja auch nicht der Name meiner Mutter, und «Mrs Jones» klang irgendwie sehr kompetent und respektabel.
Wenn ich vor der Klasse stand, fühlte ich mich stark und klug. Die Erinnerungen an meine Kindheit fielen von mir ab, und ich sah mich mit den Augen meiner Schüler: als die Erwachsene, die ich sein wollte. Geduldig, kompetent und einfallsreich. Meine Tochter liebte mich. Meine Schüler mochten mich.
Und mein Mann … bei Jason war ich mir nie sicher. Er brauchte mich. Er respektierte meinen Wunsch, als Lehrerin zu arbeiten, machte mir sogar Mut, in die Schule zurückzukehren, obwohl er es lieber gesehen hätte, wenn ich mich rund um die Uhr um Ree kümmerte – es wäre für die ganze Familie einfacher gewesen. Ich hatte ihm gesagt, dass ich etwas Eigenes haben müsse, worauf er sofort einen Scheck für das Fernstudium unterschrieben hatte.
Er ließ mir Freiraum. Er vertraute mir, war freundlich und entgegenkommend.
Er ist ein guter Mann, sagte ich mir immer und immer wieder und sooft ich nachts, wenn ich
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