Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Hoffnung, das könnte ein Neuanfang sein. Diese Entdeckung wollte ich nicht auf Lügen aufbauen.
Ich erzählte meine Geschichte, nachdem ich Anders gebeten hatte, nicht zu gehen, bevor ich fertig war. Er war irritiert, dass ich plötzlich einen anderen Ton anschlug, willigte aber ein. Als ich erklärte, wie ich ihn hereingelegt hatte, wurde er sichtlich wütend. Er war kurz davor zu gehen, stand aber zu seinem Wort und blieb. Seine Wut milderte sich zu Traurigkeit, als ich die Beziehung zwischen meiner Mum und Mia beschrieb und erzählte, was nach Mias Verschwinden geschehen war. Am Ende war sein Ärger größtenteils verraucht. Aber er war immer noch ein wenig enttäuscht, dass er nicht als Künstler entdeckt worden war. Ich versicherte ihm, dass ich als Laie seine Arbeit wirklich bewunderte, und genauso der Galeriebesitzer, dessen Mailadresse ich gekapert hatte. Schließlich fragte ich, ob ich wohl mit Mia reden durfte. Er bat mich, im Foyer zu warten. Er wollte kurz telefonieren. Seltsamerweise kam mir nicht einmal für einen Moment der Gedanke, er könnte nicht zurückkommen. Ich schloss die Augen und wartete erleichtert, trotz des Risikos, das ich gerade eingegangen war.
Wir erreichten einen Wohnblock weit von der Stadtmitte entfernt. Anders grummelte:
»Künstler sollten arm sein.«
Er war ein Romantiker, die Art junger Mann, die ein Mädchen dazu bringen konnte, von zu Hause wegzulaufen. Wir stiegen die vereiste Betontreppe hintereinander hinauf, weil die Stufen nur in der Mitte gestreut waren und der Aufzug nicht funktionierte. Im obersten Stock angekommen nahm er seinen Schlüssel aus der Tasche. Mit einem Scherz, er würde im Penthouse wohnen, ließ er mich hinein. Anders sagte auf Schwedisch:
»Mia kommt bald zurück.«
Ich wartete im Wohnzimmer, umgeben von seinen Gemälden. Sie besaßen kaum Möbel, keinen Fernseher und nur ein kleines Radio, das an der Wand eingestöpselt war. Um die Zeit totzuschlagen, fing er an zu malen. Eine halbe Stunde später hörte man einen Schlüssel in der Tür. Ich ging in den Flur und sah zum ersten Mal Mia. Dick eingepackt wegen der Kälte sah sie älter aus als sechzehn. Sie suchte in meinem Gesicht nach Zügen meiner Mum. Sie schloss die Tür und nahm ihren Schal ab. Als sie ihren Wintermantel auszog, sah ich, dass sie schwanger war. Fast hätte ich gefragt, wer der Vater war, aber ich hielt mich im letzten Moment zurück.
Zu dritt setzten wir uns in die kleine Küche. Der gemusterte Linoleumboden quietschte unter unseren Stühlen. Wir tranken schwarzen Tee mit Zucker; Honig dürfte für sie ein unbezahlbarer Luxus gewesen sein. Als es fast so weit war, dass ich die Wahrheit über diesen Sommer hören würde, bekam ich Angst, meine Mum könnte sich einfach geirrt haben. Mia erzählte:
»Ich bin nicht weggelaufen. Håkan hat mich weggeschickt. Als ich ihm gesagt habe, dass ich schwanger bin, hat er einen Termin für eine Abtreibung gemacht. Wenn ich als seine Tochter auf dem Hof bleiben wollte, musste ich mich so benehmen, wie er es für passend hielt. Er hat behauptet, er würde sich um meine Zukunft sorgen. Hat er auch. Aber vor allem hat er sich um seinen Ruf gesorgt. Ich war eine Schande, nicht mehr die Art Tochter, die er wollte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Anders und ich haben nicht viel Geld. Wir sind nicht dumm. Konnten wir wirklich Eltern werden? Fast hätte ich nachgegeben, fast hätte ich abtreiben lassen. Eines Abends habe ich Ihre Mum in unseren Feldern gesehen. Ich wusste nicht, was sie da macht. Aber ich habe mich an unsere langen Gespräche erinnert. Sie war ganz anders als die Leute im Ort. Sie hat mir erzählt, dass sie von zu Hause weggegangen ist, als sie gerade sechzehn war, ohne irgendwas ist sie nach England gekommen und hat ein Geschäft aufgebaut und eine Familie gegründet. Ich dachte: Ich bewundere diese Frau. Sie ist so stark. Alle buckeln vor Håkan, nur sie nicht. Dafür hat er sie gehasst. Ich habe Håkan gesagt, wenn ich das Kind nicht behalten kann, gehe ich weg. Irgendwie dachte ich, er würde es sich anders überlegen, wenn er sieht, wie ernst es mir ist. Aber er ist darauf eingegangen. Er hat nicht mal mit Elise gesprochen. Sie war meine Mum, und sie durfte nicht mitreden. Das hat sie richtig mitgenommen. Sie schreibt mir jede Woche. Sie besucht mich auch regelmäßig, und wenn sie kommt, füllt sie jedes Mal den Kühlschrank auf. Sie vermisst mich sehr. Und ich vermisse sie auch.«
Mia versagte vor Rührung die
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