Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Stimme. Sie hatte Elise wirklich sehr lieb.
»Sie ist ein guter Mensch. Sie war immer nett zu mir. Aber sie wird sich nie gegen ihn behaupten. Sie ist seine Dienerin. Und so wollte ich nicht werden.«
Ich fragte, ob Mia Håkans Holztrolle vor Wut zerschlagen hatte. Sie schüttelte den Kopf. Damit blieb nur eine übrig:
»Dann war es Elise.«
Bei der Vorstellung, wie ihre Mutter Håkans Trollen mit einer Axt zu Leibe rückte, musste Mia lächeln:
»Vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht verlässt sie ihn irgendwann doch.«
Ich wollte wissen, ob Mia bei dem zweiten Midsommarfest wirklich betrunken gewesen war. Sie schüttelte den Kopf. Wenn sie an diesem Tag betrunken gewirkt hatte, dann nur, weil sie gerade herausgefunden hatte, dass sie schwanger war. Sie hatte neben sich gestanden. Die nächsten zehn Tage war sie im Haus gefangen gewesen – es waren die schlimmsten zehn Tage ihres Lebens. Nachdem sie sich entschieden hatte, hatte Håkan sich einen Plan einfallen lassen. Er wollte, dass sie verschwand. Er wollte den anderen nichts erklären. Die Schande hätte er nicht ertragen. Mia sagte:
»Es war seine Idee; es sollte so aussehen, als wäre ich weggelaufen, damit er das Opfer spielen konnte.«
Meine Mum hatte in beiden Punkten recht gehabt. Um von einem einsamen Hof wegzukommen, brauchte man einen Plan, auch wenn der Plan nicht von Mia, sondern von Håkan stammte. Und es hatte eine Verschwörung gegeben. Sie hatten Stellan, dem Kommissar, gesagt, dass Mia nicht vermisst wurde. Niemand hatte nach ihr gesucht. Die Plakate hatte man nur dort aufgehängt, wo sie nichts bringen würden. Håkan überwies Mia am Monatsende Geld. Er bezahlte die Wohnung. Er hätte sie jederzeit besuchen können. Bis jetzt hatte er es nicht getan.
Als sie zum Ende kam, fragte ich, ob sie je in Gefahr gewesen war. Meine Mum war überzeugt gewesen, dass Mia in Gefahr schwebte. Diese entscheidende Frage beantwortete Mia mit einem Kopfschütteln:
»Håkan hat mich nie angefasst, er hat mich nie geschlagen oder mir wehgetan, so war er nicht. Er ist nicht mal laut geworden. Wenn ich neue Kleider haben wollte, hat er sie mir noch am selben Tag gekauft. Er hat mir alles gegeben, was ich wollte. Er meinte, ich wäre verwöhnt. Das stimmt. Ich war verwöhnt. Aber er hat mich nicht geliebt. Ich glaube, er versteht nicht, was Liebe ist. Für ihn bedeutet Liebe Kontrolle. Er hat meine Sachen durchsucht. In dem Spiegel, den Anders für mich geschnitzt hat, hat er mein Tagebuch gefunden. Er hat es zurückgelegt, damit ich weiter schreibe und er es weiter lesen kann. Als ich das gemerkt habe, habe ich alle Seiten herausgerissen und es für ihn zurückgestellt. Darüber ist er so wütend geworden, als hätte ich etwas von ihm kaputtgemacht.«
Ich fragte nach Anne-Maries Selbstmord und dem Einsiedler. Mia zuckte mit den Schultern:
»Ich habe sie nicht gut gekannt. Sie war mit Cecilia befreundet, mit der Frau, die Ihrer Mum den Hof verkauft hat, und Cecilia hat Håkan die Schuld an ihrem Selbstmord gegeben, ich weiß jedoch nicht, warum. Vielleicht hat Anne-Marie auch mit Håkan ein Verhältnis gehabt. Es ist kein Geheimnis, dass er fremdgegangen ist. Für ihn ist jede verheiratete Frau Freiwild. Elise weiß das. Anne-Marie war sehr gläubig, wenn sie nüchtern war. Die Bibelzitate haben Sie gesehen, oder? Aber wenn sie betrunken war, hat sie auf Teufel komm raus geflirtet, sogar vor ihrem Mann, sie hat ihn damit gequält und ihm immer gesagt, er wäre ein großer, dummer Trottel. Sie war schrecklich zu ihm, wenn sie betrunken war, und wenn sie nüchtern war, hatte sie ein schlechtes Gewissen. Im Grunde war sie einfach nur deprimiert.«
»Warum will Håkan unbedingt unseren Hof kaufen?«
»Eigentlich nur, weil er das ganze Land im Umkreis besitzt. Wenn er sich die Karte angesehen hat, war Ihr Hof ein Makel in seinem Königreich, ein Stück Land, das er nicht kontrollieren konnte. Es war ein Schandfleck. Das hat ihn schrecklich geärgert.«
»Bald gehört es ihm ja.«
Mia dachte darüber nach:
»Ob man ihn mag oder nicht, einen Mann, der immer bekommt, was er will, muss man irgendwie respektieren.«
Die Vorstellung, wie Håkan sich an seiner Landkarte weidete, machte mich traurig, aber das war kein Kampf, den ich ausfechten musste.
Mia hatte eine Stunde lang geredet. Sie und Anders fragten sich, was ich noch wollte. Ich bat sie zu warten, während ich kurz telefonierte. Ich ging vor die Tür auf den kalten Außenflur und rief
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