Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
Zeit.« Den letzten Satz hatte sie mit Zeige- und Mittelfingern in wörtliche Rede gesetzt.
Olivia sagte: »Das musst du schon verstehen, Louise. Immerhin hat er seine Frau geliebt.«
Louise fasste sich an die Stirn. »Ich finde Olivias Denkweise und ihre Welt, in der Milch und Honig fließen, einfach großartig.«
»Was ist mit Christoph?«, fragte Louise.
»Christoph?«
»Ja, Christoph. Dein Mann. Was ist los mit dir? Vergisst du die Namen der Kerle, mit denen du mal zusammen warst?«
»Ich weiß, welchen Christoph du meinst. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich das mit ihm ganz verarbeitet habe.«
»Na, das gelingt dir doch ganz gut«, rief Louise, »wo du dich mit Sascha amüsiert hast und ihn jetzt zum Teufel schickst, weil dir das alles zu anstrengend wird.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie streng an. »Es ist besser so. Ich habe das getan, weil ich ihn respektiere.«
»Du bist scharf auf ihn.«
»So würde ich es nicht nennen.«
»Sondern?« Annett sah mich interessiert an.
»Ich will nicht länger darüber nachdenken. Bald werde ich unsere Begegnung wieder vergessen haben.«
Annett hob die Arme. »Ja, sicher. Wenn du es sagst.«
»Könnten wir jetzt das Thema wechseln, ja?«
»Natürlich, klar doch, sicher …«, kam es durcheinander, aber pikiert von Annett und Louise.
»Ach, übrigens. Ich war vorhin bei Dr. Nix in der Praxis. Ich soll dir ausrichten, dass er eine Stunde später kommt.«
»Na toll! Ich zähle die Sekunden, bis wir uns wiedersehen, und er kommt gleich mit Stunden.« Sie lehnte sich schmollend zurück.
»Es ist ja nur eine Stunde«, versuchte ich zu beschwichtigen.
»Phh«, tat sie wie ein Kind und verschränkte beleidigt die Hände vor der Brust.
Olivia griff zur Schachtel und reichte sie ihr. »Na, komm. Nimm dir noch ein Marzipanherz.«
Annett ließ sich das nicht zweimal sagen und fischte drei Stück heraus. Das erste stopfte sie sich sogleich in den Mund. »Scheiße, Kaffeecreme. Dabei hätte ich jetzt so drin gend eines aus Marzipan gebraucht.«
»Die Dinger hat übrigens meine Mutter erfunden«, sagte Olivia, »obwohl Schwarz Konfekt der Familie meines Vaters gehört.«
Annett sah frustriert aus. »Sag deinen Leuten, sie sollen mehr Herzen aus Marzipan machen – das kann doch nicht so schwer sein.«
Olivia sah mich an, dann verdrehte sie die Augen. »Was manche Leute für Probleme haben.«
24
F reitag. Die letzten Tage in der Buchhandlung waren seh r ruhig gewesen, und die Wünsche der Kunden waren weitgehend unkompliziert. An diesem Tag sollte sich das jedoch wieder jäh ändern. Ich fragte mich, ob an der Theorie über den Mond vielleicht wirklich etwas dran war. Schließlich benahmen die Leute sich eher geballt seltsam.
Zuerst verlangte eine Kundin die Bücher »von der Autorin mit dem Obstnamen«, und ich verbrachte eine ganzeWeile damit herauszufinden, wen sie meinte. Schließlich stellte sich heraus, dass sie von Banana Yoshimoto sprach. Danach wollte jemand »das Buch mit dem komischen Ti tel von der chinesischen Autorin«. Meine Nerven lagen be reits blank, als Frau Wenzel eine halbe Stunde brauchte, um herauszufinden, dass es Die Frau des Feuergottes von Amy Tan war; alles umsonst – die Kundin kaufte das Buch nicht, weil es zu dick war. Kurz vor Ladenschluss hatte ich dann wieder einmal eine Perle der Titelverdreher. »Ich hätt’ gern das Buch von Ingeborg Sowieso, Die Hühner sind weg .
Ich musste wohl ein sehr ratloses Gesicht gemacht haben, denn die freundliche Dame in reifem Alter, ergänzte: »Auf dem Umschlag ist eine hässliche Frau mit schwabbeligem Gesicht.«
»Ach so?«
»Und der Verlag heißt Sokrates.«
»Diogenes?«
Sie nickte lachend. »Ach ja, genau. Ich wusste, es war etwas Griechisches.«
»Worum geht es denn in dem Buch?« Vielleicht bestand Hoffnung.
»Es ist ein Krimi. Über die Autorin habe ich gelesen, dass sie erst spät angefangen hat zu schreiben und die erfolgreichste Krimiautorin …«
»Ingrid Noll?«
»Ja, so heißt sie!«, rief die Dame begeistert.
»Ich schätze, Sie meinen das Buch Der Hahn ist tot. «
»Genau. Das hätte ich gerne.«
Nach der Arbeit ging ich zu meinen Eltern, weil Markus am Wochenende wieder in seine Wohnung ziehen würde. Das war eine Art letztes gemeinsames Beisammensein unter den gegebenen Umständen.
Jedes Mal, wenn ich auf dem Weg zum Buchladen oder vom Buchladen zur U-Bahn war, sah ich mich nach allen Seiten nach Christoph um. Dabei wusste ich nicht
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