Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
wollen.
»Ihr habt ja keine Ahnung, was ich alles ausprobiert habe. Hinzu kommt, dass ich Sport hasse. Und was ich noch mehr hasse, sind Hungergefühle und kalorienarme kleine Portiönchen.«
Wir lachten.
»Aber wenn die Leute deine Kinderfotos ansehen, dann merken sie es doch?« Louise nahm sich zwei Marzipanherzen gleichzeitig. Vielleicht hatte sie über dieses Thema Appetit bekommen.
Annett verdrehte die Augen und verzog den Mund. »Wer sieht sich schon Fotoalben von früher an, außer man selbst? Ich habe jedenfalls noch nie erlebt, dass ein Mann oder eine Freundin sagt: ›So, jetzt pack mal die Fotoalben aus.‹ Ihr vielleicht?«
»Stimmt«, meinte Louise.
Olivia wollte wissen, was Louises kleines Geheimnis sei.
Louise zuckte mit den Schultern.
»Komm schon, Louise. Wir sind Freundinnen. Uns kannst du es doch sagen.«
»Also gut. Es ist mir peinlich zu sagen, dass ich als Zimmermädchen arbeite.«
»Aber wieso denn?«, sagte Olivia.
»Red keinen Scheiß, Olivia. Du weißt genau, was ich meine. Es ist ein Drecksjob. Wahrscheinlich bin ich nicht dümmer als die Leute, für die ich arbeite oder deren Betten ich mache. Aber wen interessiert’s?«
»Dann lass dich doch mal beraten, was du machen könntest«, versuchte ich, Louise zu motivieren.
»Ich bin jetzt einundvierzig.«
»Na und?«
»Der Zug ist abgefahren.«
»Das stimmt nicht. Ich sag ja nicht, dass du dein Abitur nachholen, studieren und Ärztin werden sollst. Aber vielleicht könntest du etwas Hotelmäßiges machen und dort aufsteigen.«
»Was Hotelmäßiges?«
»Ja, du verstehst schon.«
Louise zuckte die Schultern. »Es ist ja nicht so, dass ich darüber noch nie nachgedacht hätte. Mir fehlt es wahrscheinlich an Überwindungskraft. Mal sehen, vielleicht könnte ich mal beim Arbeitsamt nachfragen, was es da für Möglichkeiten gibt.«
»Unbedingt. Schaden kann es jedenfalls nicht, oder?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber auch wenn sich beruflich nichts ändern würde, wäre es keine Katastrophe. Es gibt andere Dinge in meinem Leben, die zählen. Ehrlich gesagt, seit ich euch kenne und hier wohne, bin ich insgesamt viel zufriedener.«
Gerade, als wir sie alle selig anlächelten, setzte sie hinzu: »Auch wenn ihr mir manchmal verdammt auf den Geist geht.« Ich lehnte mich nach hinten und sackte ein. Jetzt erst spürte ich die Müdigkeit in den Gliedern. Ich wollte nur noch ein heißes Bad und dann ins Bett.
»Und du?«, fragte Annett plötzlich, und alle drei sahen in meine Richtung.
»Ich?« Unsicher tippte ich mir auf die Brust.
»Ja, du! Welche unausgesprochene Heimlichkeit schlummert da?«
»So spontan fällt mir da eigentlich nichts ein, außer dass ich bei meinem Mann war und ihn um die Scheidung gebeten habe. Dann ist da noch die Sache mit Sascha. Ich habe Schluss mit ihm gemacht – und das einen Tag nachdem ich noch Sex mit ihm hatte.«
Louise machte eine amüsierte Grimasse. »Du willst von den Männern also nur das eine? Wenn du sie erst im Bett hattest, lässt du sie fallen wie eine heiße Kartoffel und suchst dir das nächste Sexopfer. Gefällt mir.«
»Wirklich sehr, sehr witzig, Louise«, meinte ich sarkastisch. »Im Ernst: Ich bin traurig. Ich glaube, unter anderen Umständen hätte etwas daraus werden können.«
»Unter welchen Umständen denn?«, wollte Annett wissen.
»Wenn er nicht so jung wäre, zum Beispiel.«
Louise schüttelte verständnislos den Kopf. »Jetzt fängt sie schon wieder damit an. Zehn lächerliche Jahre!«
»Eigentlich sind es nur neuneinhalb«, verbesserte ich.
»Umso besser.«
»Und er ist Student.«
»Na ja, so schlimm finde ich das aber nicht«, meldete Olivia sich zu Wort. »Das zeigt doch eigentlich nur seinen Mut und seine Entschlossenheit, wenn er es noch mal angepackt hat, oder?«
»Vielleicht habe ich auch einfach nur Angst«, sagte ich.
»Wovor?« Louise sah mir direkt ins Gesicht.
»Ich weiß es nicht. Davor, wieder etwas zu verlieren oder mich lächerlich zu machen. Ich habe keine Ahnung. Alles, was mit Beziehung und Liebe zu tun hat, ist so wahnsinnig kompliziert.«
»Na, was glaubst du, warum ich solo bin, hm?«
Nun fiel mir Stefan wieder ein. »Und unser betrogener Nachbar? Habt ihr noch mal gesprochen?«
Louises Augen leuchteten für eine Sekunde auf. »Zwischen uns hat es ein bisschen gefunkt. Ich hätte das nie für möglich gehalten, aber wir verstehen uns jetzt schon blendend. Na ja …«, sie verdrehte die Augen, »er braucht jetzt natürlich etwas
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