Ohne Skrupel
meinen Kollegen? Wir sind ja nicht
alle im Schwabinger Krankenhaus. Nach Grosshadern hat man wohl auch ein paar
gebracht. Wie ist die Lage?“ „Bevor wir anfangen, Herr Cruz“, „Santa Cruz,
bitte....„ „Oh Entschuldigung, Herr Santa Cruz. Ich bin es nicht gewohnt, mit
fremdländischen Namen zu handtieren. Slawische, türkische, rumänische Namen ab
und an... spanische sind für mich ungewohnt.“ „Argentinisch“. „Oh, ich dachte,
sie sind Amerikaner.“ „Ja, vom Pass her schon. Fühl‘ mich aber eher als
Deutsch-Italiener.“ „Und was ist mit dem Argentinier?“ „Mein Vater ist
gebürtiger Amerikaner, seine halbe Familie ist aus Argentinien“. „Verwirrend,
verwirrend. Also gut, darf ich der Vollständigkeit halber Ihre Personalien
abgleichen, fürs Protokoll?“ Das dauerte dann bis kurz vor 8:00 Uhr und Herr
Holzner war nahe an der Grenze zur Überforderung. Capacity overload . Man
konnte die Error -Zeichen förmlich auf seinen Augen sehen. „Sie sind also
Amerikaner. Vater Amerikaner, Diplomat, zur Zeit in Buenos Aires, Mutter
Hausfrau, was war das nun – Deutsche oder Italienerin? Wohnhaft, wo war das
noch mal? Zur Zeit noch in Madrid, aber demnächst in Mexiko City, zwei
Schwestern, Zwillinge, eine studiert in Wien, die andere dieses Semester in
Mailand, ansonsten London. Sie sind seit knapp zwei Jahren in München,
Römerstraße 21, beschäftigt bei der Malinger Autoteile GmbH & Co. KG seit
September 2008 – als? Wie heißt das noch mal? Abteilungsleiter Data Systems?“
„Ja, meine Mutter ist
Deutsche und ja, ich bin für den Bereich Data Systems verantwortlich.“ „Ok,
keine Ahnung was das ist. Sie sind für die IT im Hause Malinger zuständig?“
„Nein, nur für einen Teil und für das deutsche Rechenzentrum. Hauptsächlich die
dezentralen Systeme. Herr Holzner, ich will ja nicht unhöflich sein, aber Sie
sind seit gut 40 Minuten hier und haben mir noch keine einzige Frage zu den
Geschehnissen vom Freitag gestellt. Frau Dr. Gruber kommt wahrscheinlich bald zur
Visite und ich würde ganz gerne vorher zur Sache kommen.“ „Entschuldigung, ich
bin einfachere Familienstrukturen gewohnt. Ich kann meine Verwandtschaft an
zwei Händen abzählen und wir wohnen fast alle im selben Ort, die meisten sogar
in der gleichen Straße. Aber sie haben recht: Was ist passiert? Bitte erzählen
Sie frei heraus.“ „Zuerst will ich wissen, wie es meinen Kollegen geht. Ich
will wissen, wer gestorben ist und wer und wie schwer verletzt ist – und was
ihre Vermutungen über die Explosionsursache sind.“ „Herr Santa Cruz, ich kann
ihnen ein paar Fakten zu den Kollegen nennen, aber über den Stand der
Ermittlungen kann und werde ich Sie nicht informieren, das ist vertraulich! Es
wurden bei dieser Explosion sechs Personen verletzt, zum Teil schwer. Vier
kamen dabei zu Tode. Die Explosion fand am Freitag den 30. April um 8:16 Uhr in
einem Nebengebäude, dem sogenannten IT-Container, auf dem Werksgelände der
Firma Malinger in der Knorrstraße 104-128 statt. Es ist ein Feuer ausgebrochen,
das mit Hilfe der Feuerwehr und einiger engagierter Mitarbeiter wie Ihnen und
der Sprinkleranlage, zumindest im Büroberiech, erfolgreich bis 13:00 Uhr
gelöscht werden konnte. Noch ist unklar, ob es ein Betriebsunfall war oder ein
– wie soll ich sagen – bewusster Akt der Zerstörung durch Dritte.“ „Wer sind
die toten Kollegen, wer die Verletzten?“ „Zu den Todesopfern gehören: Herr
Sebastian Meyer, ein Kollege aus ihrer Abteilung, Herr Franz Korber, wohl ihr
Chef, Herr Adnan Androwitsch, ein LKW Fahrer und Frau Anna Gokugolu, Putzfrau.
Im Schwabinger Krankenhaus, zum Teil auf ihrer Station, liegen die leichteren
Verletzten, diese Personen können allesamt noch diese Woche nach Hause. Also:
Herr Herbert Huber aus Ihrer IT-Abteilung, Herr Ulrich Sommer, Werkzeugbau,
Frau Annette Lahm, Lohnbuchhaltung und Fräulein Bianca Cortini, Praktikantin.
Im Klinikum Großhadern und noch auf der „Intensiv“ liegt ihr Abteilungskollege
Johannes Gerngross. Gerngross ist noch nicht ganz über den Berg.... Die
Trauerfeiern für alle vier Todesopfer finden diesen Mittwoch statt, die
Beisetzungen auf unterschiedlichen Friedhöfen.“
Das war
niederschmetternd! Von Sebastian Meyer wusste JP schon, ihn hatte er auf der
Bahre am Freitag aufgrund seiner Körpergröße und der Turnschuhe erkannt – sein
guter Buddy vom Badminton. Der Superwitze-Erzähler! Die beiden anderen kannte
er nicht. Die Putzfrau hatte er
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