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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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nach Hause fahren können.“

4
    Noch bevor Schäfer den Mantel auszog, schaltete er Bergmanns Wunderlampe ein und schreckte wie schon tags zuvor vor dem grellen Licht zurück. Aaaargh, krächzte er theatralisch und riss die Hände hoch wie ein im Sonnenlicht verglühender Vampir. Im selben Moment ging die Tür auf und Oberst Kamp stand auf der Schwelle.
    „Was treiben Sie hier?“, blaffte er und deckte sich mit einer Hand die Augen ab.
    „Ähm … Licht in eine Angelegenheit bringen.“
    „Witzbold“, entgegnete Kamp, „kommen Sie um zehn in mein Büro, wir haben etwas zu besprechen.“
    „Sehr wohl, Herr Oberst.“ Schäfer salutierte, was Kamp mit einem leisen Seufzer zur Kenntnis nahm.
    Schäfer setzte sich an den Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. Vor mehr als einem Monat hatte er einen Ordner erstellt und alle Informationen darin abgespeichert, die er über den Toten vom Exelberg zusammengetragen hatte. Neben den Fotos des Leichnams und dem Obduktionsbericht war das genau ein einziges einseitiges Dokument. Und ohne den jungen Gerichtsmediziner Föhring wäre es wohl auch dabei geblieben, wie er sich eingestehen musste. Er öffnete eine Vorlage, speicherte sie unter einem neuen Namen ab, fasste den aktuellen Ermittlungsstand zusammen und notierte die Eckpunkte der weiteren Vorgehensweise: die Drogenszene befragen, Entzugsstationen, Obdachlosenheime, Vermisstenmeldungen im Ausland … jede Menge Arbeit, für die er keine Beamten zur Verfügung hatte. Am besten finge er gleich selbst damit an, bevor … das Telefon läutete. Strasser berichtete, dass sie möglicherweise einen Zeugen im Fall Ziermann hätten: einen Arbeiter eines ungarischen Lastenschiffs, das gegen Mittag den Hafen stromaufwärts passiert hatte. Was er mit „womöglich“ meinte, wollte Schäfer wissen. Dass der Mann mittlerweile wieder in Ungarn war, seine Beobachtung lediglich seinem Kapitän mitgeteilt hatte, der sie wiederum in mäßigem Deutsch an die Schifffahrtsbehörde weitergegeben hatte.
    „Strasser!“ Schäfer stützte seine Stirn in die linke Hand. „Nehmen Sie Kontakt mit den ungarischen Kollegen auf, da sprechen genug Deutsch, und bitten Sie sie, den Mann eine Aussage machen zu lassen. Danke.“
    Vollidiot, fügte er hinzu, nachdem er aufgelegt hatte. Warum musste er sich mit Leuten herumärgern, die bei der Kriminalpolizei aufgenommen worden waren, nur weil ihre Väter mit dem Innenminister auf einem Hochstand Schnaps tranken und auf ahnungslose Hirsche schossen oder gemeinsam ins grenznahe slowakische Puff fuhren. Bergmann kam ins Büro und freute sich offensichtlich, dass Schäfer die Lampe eingeschaltet hatte. Er hängte seinen Mantel an den Haken, legte seine Dienstwaffe ab und setzte sich an den Schreibtisch.
    „Wissen Sie, was der Oberst von mir wollen könnte?“, wandte Schäfer sich ihm zu.
    „Nein, nichts Konkretes … aber was man so hört, setzen ihm der Mugabe und der Stöger ziemlich zu.“
    „Oje … das Ministerium schlägt zurück.“
    Die folgende Stunde verbrachten Schäfer und Bergmann damit, die Aufgabenverteilung in den Fällen Ziermann und des Toten vom Exelberg zu besprechen, abzuklären, welche Ressourcen sie für zwei noch ungeklärte Todesfälle vom Sommer hatten und wie sie Bruckners Team eventuell bei den Tschetschenenmorden unterstützen konnten. In diesem Fall hatte sich zwar auch der Verfassungsschutz eingeschalten, weil ein politischer Hintergrund nicht auszuschließen war, doch die Laufarbeit würde wie zumeist an ihnen hängen bleiben. Und da ein paar von Bruckners Leuten sich aufgrund des Personalengpasses nebenbei noch um eine georgische Einbrecherbande kümmern mussten, konnten sie jede Unterstützung gebrauchen. Ob die Ermittlungen im Fall des toten Junkies denn wirklich so dringend wären, fragte Bergmann schließlich vorsichtig. Schäfer warf ihm einen bösen Blick zu, konnte aber im Augenblick nichts erwidern. Er wusste ja selbst nicht genau, warum er sich die Aufklärung dieses Todesfalls versprochen hatte. Vielleicht brauchte er sie als persönliches Geländer, an dem er sich eine Zeitlang festhalten konnte, ohne dass ihm jemand dreinpfuschte. Vielleicht tat ihm der Tote wirklich leid. Vielleicht war es aber auch nur eine Trotzreaktion auf die Vorgaben aus dem Innenministerium.
    Um fünf vor zehn machte sich Schäfer auf zu seinem Termin mit dem Oberst. Als er dessen Büro betrat, stand Kamp mit dem Rücken zu Schäfer und schaute durch die Glasfront auf die Stadt

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