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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Chaos. Sie verstand überhaupt nichts mehr. Hatte sie sich wirklich so täuschen lassen? Sie rief sich die entscheidenden Momente ihrer Freundschaft in Erinnerung, und von Sekunde zu Sekunde erschien ihr plausibler, was zunächst undenkbar gewesen war: dass Zoé tatsächlich Tugdual liebte. Oksa war wie vor den Kopf gestoßen.
    »Zoé, liebes Kind, denk an dich selbst, an deine Zukunft«, sagte Abakum eindringlich. »Du bist erst vierzehn Jahre alt. Du kannst dich doch nicht für so ein Leben entscheiden!«
    »Ich bin erst vierzehn Jahre alt, das stimmt«, gab Zoé zurück. »Aber ich habe genug erlebt, um zu wissen, was das Leben im Grunde ist.«
    »Ein Leben ohne Liebe ist ein unvollkommenes Leben«, sagte Abakum.
    Oksa zitterte. Der Feenmann wusste, wovon er sprach: Remines­zens konnte noch Zuneigung, Zärtlichkeit, Vertrautheit empfinden … jedoch nie wieder Liebe für irgendjemanden. Auch nicht für Abakum.
    »Aber man stirbt nicht daran!«, rief plötzlich Ocious mit erschreckendem Zynismus dazwischen.
    »Egal, es ist, wie Tugdual sagte: Wir haben keine Wahl«, beendete Zoé mit tonloser Stimme die Diskussion. »Wenn Oksa stirbt, sterben wir alle.«
    Das Mädchen ging auf Oksa zu, doch ihre Schritte verrieten eine Unsicherheit. Die Härte, die eben noch in Zoés Blick gelegen hatte, war verschwunden. Stattdessen lag wieder der übliche Ausdruck von Sanftmut und Leid darin. Unwillkürlich zuckte Oksa zurück. Zoé schloss sie in die Arme und drückte sie mit entwaffnender Innigkeit. Und Oksa ließ es geschehen.
    »Glaub kein Wort von dem, was ich gesagt habe«, murmelte Zoé ihr ins Ohr.
    Dann löste sie sich von ihr und ging zu Ocious. Oksa lag wie erstarrt da. Was sollte sie nicht glauben? Was war nun wahr und was nicht? Zu allem Überfluss brachen nun auch wieder diese Schockwellen über ihr Nervensystem herein und bereiteten ihr heftige Schmerzen. Gegen ihren Willen verzog sie das Gesicht und stöhnte. Die Intensität der Attacke versetzte sie in Panik. Sie verlor auf einmal jegliches Gleichgewichtsgefühl, es war, als ob die Wände auf sie einstürzten. Und im Inneren ihres Körpers hallte jedes noch so kleine Geräusch millionenfach verstärkt wider, jedes Blinzeln der Menschen im Raum, das Pochen ihrer Herzen, jedes Staubkörnchen auf ihrer Haut verwandelte sich in eine unerträgliche Lärmquelle. Oksa stand taumelnd auf und wankte zu ihrem Vater, um sich an seinen Arm zu klammern. Die Rette-sich-wer-kann standen hilflos daneben, während der Oberste der Mauerwandler sie mit einem Lächeln betrachtete, in dem auch nicht eine Spur von Mitleid mitschwang.
    »Nun, ich denke, es wird höchste Zeit, dass wir unserem Retter einen Besuch abstatten«, verkündete er großspurig.
    Pavel ballte ohnmächtig die Fäuste und trat dann wortlos auf den durch seine Ankunft ramponierten Balkon hinaus. Sekunden später erschien, unter den beeindruckten Blicken von Orthon und Ocious, der Tintendrache aus seinem Rücken.
    »Oksa! Abakum!«, rief Pavel. »Steigt auf.«
    Die Junge Huldvolle und der Feenmann gehorchten, während Naftali und Brune rechts und links neben dem Drachen vertikalierten. Um das Heft nicht aus der Hand zu geben, schossen Ocious und Orthon rasch an die Spitze der Gruppe, mit Zoé zwischen sich und je zwei Mauerwandlern als Eskorte. Dann sausten sie wie ein Düsenjet los, gefolgt von dem mächtigen Drachen und seiner wertvollen Last.

Zwischen Hoffen und Bangen
    D
ie Berge von Steilfels ragten schroff und unwirtlich unter ihnen auf. Der einzigartige Tross flog über Schluchten hinweg, die wie bodenlose Abgründe wirkten, so gigantisch und maßlos hoch waren die Gipfel. Von Zeit zu Zeit bebte die Erde tief unten und ein bedrohliches Grollen ertönte. Dann lösten sich Steine und stürzten in die finsteren Schluchten hinunter.
    Die Mauerwandler eskortierten Zoé und die Rette-sich-wer-kann über die schmalen Canyons hinweg und achteten darauf, dass niemand abhandenkam. Orthon vertikalierte stolz an der Seite seines Vaters. Endlich hatte er sich Ocious’ schwer zu erringende Gunst erworben. Hochmütig reckte er das Kinn und spähte zu ihm hinüber. Der Oberste der Mauerwandler flog, die Arme am Körper angelegt, mit einer bestechenden Eleganz am marmorierten Himmel. Eines Tages, bald schon, würde er, Orthon, an seine Stelle treten. Und daran würde ihn dieser farblose Andreas garantiert nicht hindern …
    In einigem Abstand hinter den Mauerwandlern saß Oksa auf dem Tintendrachen und klammerte sich an

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