Oksa Pollock. Der Treubrüchige
geben«, erklärte Abakum schließlich.
Als Orthon daraufhin triumphierend auf Tugdual zeigte, dämmerte Oksa, was der Treubrüchige im Schilde führte.
»Oh! Nein … nicht das …«, flüsterte sie fassungslos.
»Warum sich das Leben schwer machen?«, fragte Orthon.
Oksa war, als würde man ihr den Boden unter den Füßen wegziehen. Eine entsetzliche Sekunde lang stellte sie sich vor, wie ein Durchscheinender dem Jungen, den sie liebte, sein Liebesgefühl aussaugte. Denn nichts anderes hatte Orthon im Sinn.
»Wir brauchen doch nicht erst jeden Winkel Edefias abzusuchen, um einen von Leidenschaft erfüllten Menschen zu finden, wenn wir hier direkt vor unserer Nase einen jungen Mann haben, der unsere Bedürfnisse voll und ganz befriedigen kann! Oder, besser gesagt, die des Durchscheinenden, der dafür das Leben unserer Huldvollen retten wird.« Orthon lächelte zynisch.
»Das ist völlig ausgeschlossen«, erklärte Naftali, kreideweiß vor Zorn.
»Du bist wahnsinnig!«, stieß Abakum hervor.
Für Oksa war dies das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte. Sie hatte schon ihre Großmutter, ihre Mutter und Gus verloren. Wenn sie nun auch noch Tugduals Liebe verlieren würde, würde sie das nicht überleben.
Tugdual hatte sich währenddessen nicht von der Stelle gerührt. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und betrachtete die Maserung der blauen Zimmerecke. Er wirkte vollkommen weggetreten – fernab der Realität.
»Siehst du, du hättest dich auf unsere Seite schlagen sollen, solange noch Zeit dazu war«, sagte Orthon triumphierend zu dem Jungen.
Tugdual wandte sich ihm zu und musterte ihn mit eiskalter Ruhe.
»Machen Sie sich keine Illusionen, ich wäre Ihnen niemals gefolgt, NIEMALS!«, erwiderte er. »Ich habe immer zu meinen Taten gestanden, den guten wie den bösen, auch wenn die bösen manchmal überwiegt haben. Und heute stehe ich zu der Entscheidung, die ich treffen werde, mit all ihren Konsequenzen …«
Er hielt einen Augenblick inne, was manche als ein Zögern deuteten, andere als den Ausdruck einer letzten verzweifelten Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen würde wie befürchtet. Tugdual stand auf. Er zitterte am ganzen Körper. Ohne Orthon noch eines Blickes zu würdigen, wandte er sich an Ocious.
»Sie können mich mitnehmen«, sagte er schwer atmend. »Ich bin bereit, Ihrem Durchscheinenden zu … begegnen .«
Oksa wollte protestieren, doch sie brachte vor Entsetzen kein Wort heraus. Durch einen Tränenschleier sah sie, wie Naftali auf Tugdual zuging und dieser die ausgestreckte Hand seines Großvaters brüsk zurückwies.
»Nein, Tugdual, das lassen wir nicht zu!«, stammelte Brune.
»Aber wir haben keine Wahl!«
»Denk doch an Oksa«, fügte Naftali hinzu.
»Ganz genau«, gab Tugdual zurück. »Ich denke nur an sie. WOLLT IHR VIELLEICHT, DASS SIE STIRBT?«
»Lasst ihn tun, was er will«, warf Ocious ein. »Er ist alt genug, um selbst zu entscheiden.«
Der Oberste der Mauerwandler machte kein Geheimnis aus seiner Genugtuung. Nicht nur war so eine Lösung gefunden, um diese leichtsinnige Junge Huldvolle zu retten, sondern er konnte sich auch noch an den Knuts rächen. Die beiden Starrköpfe wären hervorragende Verbündete gewesen … Aber sie mussten ja die falsche Seite wählen! Heute würden sie dafür bezahlen: auf dem Umweg über ihren Enkel, diesen Jungen mit den eiskalten Augen und dem enormen Potenzial.
»Ihr habt euch die falsche Person ausgesucht«, meldete sich auf einmal Zoé zu Wort.
»Zoé, halt dich da raus«, unterbrach sie Tugdual.
Doch das Mädchen ließ sich nicht einschüchtern. »Tugduals Leidenschaft ist nur vorgetäuscht«, fuhr sie fort. »Er hat Oksa geschickt umgarnt, hat mit allerlei Tricks dafür gesorgt, dass sie ihn unwiderstehlich findet, und jetzt hat er sie in der Hand. Aber das Einzige, was ihn wirklich interessiert, ist die Macht, die sie verkörpert.«
Tugdual versuchte, sie mit einem Knock-Bong zum Schweigen zu bringen, doch sie wich der Attacke geschickt aus. In ihren sonst so sanftmütigen Augen funkelte eine Härte, die alle überraschte. Den Bruchteil einer Sekunde tauchte vor den Augen jener, die dabei gewesen waren, das Bild von Remineszens auf, wie sie das tödliche Granuk auf Mercedica abfeuerte. Zoé strahlte dieselbe gnadenlose Entschlossenheit aus.
»Und warum sollte er sich dann opfern?«, fragte Ocious skeptisch. »Die Begegnung mit einem Durchscheinenden ist nicht gerade ein freudiges Erlebnis
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