Oksa Pollock. Der Treubrüchige
erfahren. Lächelnd schaute sie Till zu, der aussah wie ein kleiner Engel und seinem großen Bruder nun von der aufregenden Reise der Knuts nach Wales erzählte. Tugdual behandelte ihn mit einer Zärtlichkeit, die Oksa tief berührte. Und ihn natürlich noch unwiderstehlicher für sie machte …
Kukka hatte sich mittlerweile in einen Sessel gekauert und offenbar von der Konfrontation wieder etwas erholt. Mit überheblicher Miene strich sie sich die langen Haare glatt und warf dabei vernichtende Blicke auf ihren Cousin, der sie jetzt einfach ignorierte.
»Ende gut, alles gut«, murmelte Gus hinter Oksa und klatschte in die Hände. »Die Ehre deines Märchenprinzen ist wiederhergestellt. Hurra!«
Oksa sprang auf, stapfte, die Hände wütend in den Hosentaschen vergraben, die Treppe hinauf, stob den Gang entlang zu ihrem Zimmer und ließ die Tür laut krachend hinter sich ins Schloss fallen.
Ein schwarzes, aber reines Herz
N
achdem der Wind stundenlang wie entfesselt getobt hatte, legte er sich gegen Morgen. Der anbrechende Tag tauchte die Hügel rings um Leomidos Anwesen in ein tristes graues Licht. Oksa schlug die Augen auf und blieb reglos liegen, während ihr ihre Umgebung allmählich ins Bewusstsein drang. Sie trug noch ihre Kleider vom Vortag – die abgewetzte Jeans und ihren Matrosenpulli –, doch jemand hatte ihr die Stiefel ausgezogen und die Bettdecke über ihr ausgebreitet. Bestimmt ihr Vater. Sie lauschte. Eine Totenstille herrschte im ganzen Haus, als wäre jegliches Leben in dieser schweren Nacht erloschen. Ein glimmendes Holzscheit bewegte sich im Kamin und ließ Oksa hochfahren. Dabei bemerkte sie, dass Dragomiras Plemplem im Zimmer war. Das kleine Geschöpf hatte die kugelrunden Augen auf sie gerichtet und wachte still über sie. Oksa setzte sich auf und lächelte ihm zu.
»Guten Morgen, lieber Plemplem! Warst du die ganze Nacht hier?«
»Habt die Güte, den Gruß Eurer Dienerschaft zu empfangen, Junge Huldvolle. Die Antwort auf Eure Frage ist positiv: Die Alte Huldvolle hat das Ersuchen einer Bewachung des Schlafs der Jungen Huldvollen getätigt, und das Auge ihres ergebenen Dieners hat nicht die geringste Ablenkung erfahren. Die drei Plemplems des Für-immer-eingemäldeten-Meisters haben die Anwendung desselben Schutzes für alle Gäste der Behausung unternommen.«
»Soll das heißen, ihr habt alle die ganze Nacht nicht geschlafen? Arme Plemplems!«
»Entfernt das Bedauern aus Eurem Herzen, Junge Huldvolle. Die Plemplems vollbringen den Gehorsam ohne irgendein Leiden.«
»Ihr seid immer so selbstlos«, sagte Oksa mit einem bewundernden Seufzer.
»Die Hingabe ist im Geist der Plemplems enthalten. Die Versicherung unserer Treue ist vollkommen.«
»Ich weiß, lieber Plemplem, ich weiß«, murmelte Oksa. »Was für ein Glück, dass wir euch haben.«
Der Plemplem schniefte vernehmlich und legte ein weiteres Holzscheit nach. Dann drehte er sich wieder zu Oksa um und schaute ihr geradewegs in die Augen.
»Die Eifersucht darf nicht Euer Herz zerkratzen, Junge Huldvolle«, sagte er zu Oksas völliger Überraschung.
Sie wich seinem Blick aus.
»Warum sagst du das?«, brachte sie mühsam hervor.
»Der Enkel der Freunde der Huldvollen namens Knut betreibt die Belagerung Eurer Gedanken, und die eisige Gegenwart der Cousine Kukka erzeugt Schrammen in Eurem Herzen.«
»Woher weißt du das?«, rief Oksa und verschluckte sich fast. Was für ein entsetzlicher Gedanke, dass ihre Gefühle so offensichtlich waren.
»Eure Dienerschaft hat die Feststellung Eurer Blicke und die Lektüre Eurer Gedanken betrieben. Der Enkel der Freunde der Huldvollen überflutet die Junge Huldvolle mit einem kummervollen Verliebtsein. Die steinerne Kukka betreibt den Unterhalt einer gewitterträchtigen Beziehung zu jenem, der das Herz der Jungen Huldvollen beschäftigt. Cousin und Cousine kennen untereinander eine intensive Elektrizität, doch ihre Beziehung ist von einer großen Abwesenheit an Liebe geprägt. Ihr könnt also alle Sorge aus Eurem Schädel entfernen.«
Oksa war tief betroffen. Was der Plemplem sagte, stimmte haargenau. Ja, Tugdual beherrschte ihre Gedanken. Ja, die explosive Beziehung zwischen ihm und Kukka machte Oksa eifersüchtig. Es war unglaublich, aber wahr.
»Sieht man mir das so leicht an?«, murmelte sie errötend.
»Die Junge Huldvolle darf nicht vergessen, dass nichts, was im Herzen der Huldvollen wohnt, den Plemplems verborgen bleibt.«
»Das ist aber ziemlich peinlich«, kam Oksa nicht
Weitere Kostenlose Bücher