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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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den Kopf und sahen die Junge Huldvolle und ihren düsteren Freund vor den violetten Wolkenstreifen dahinziehen. Es hätte nicht viel gefehlt, und Pavel wäre selbst losvertikaliert, um bei seiner Tochter zu sein, die er zum ersten Mal in einer solchen Höhe fliegen sah. Dragomira hielt ihn im letzten Moment zurück.
    »Hab doch ein wenig Vertrauen«, murmelte sie.
    Oksa hingegen war meilenweit entfernt von den Reaktionen, die sie auf der Erde auslöste. Glücklich überließ sie sich ganz ihrem Instinkt, blind und taub für die Sorgen und Nöte derer, die sie so liebten.

Abschied
    H
atte Dragomira ihre außergewöhnlichen Überredungkünste spielen lassen oder sich doch eines Hilfsmittels aus der Granuk-Schatulle bedient? Keiner wusste es. Fakt war ­jedoch, dass ein alter Fischer der Baba Pollock ohne Zögern seinen Fischkutter überlassen hatte – den größten im benachbarten Hafen – und dieser nun auf wundersame Weise in der kleinen Bucht vor Leomidos Anwesen vor Anker lag. Angesichts der Menschenmassen, die aus den überschwemmten Gebieten im Osten Englands flohen, hatten die Rette-sich-wer-kann nach einigem Überlegen beschlossen, die Insel der Treubrüchigen per Schiff anzusteuern. Das war das schnellste und obendrein unauffälligste Transportmittel für die einunddreißig Personen, die ihre Gruppe nun zählte. Trotz ihrer ständigen Bemühungen blieben die Rette-sich-wer-kann nämlich nur selten unbemerkt, und obwohl das große Durcheinander, das momentan auf der Welt herrschte, ihnen in gewisser Weise entgegenkam, waren Vorsichtsmaßnahmen bei ihnen schon zum Reflex geworden. Selbst wenn in einigen Tagen womöglich keiner von ihnen mehr im Da-Draußen sein würde …
    Alle hatten sich ein letztes Mal in dem großen Salon versammelt, dessen Fensterläden bereits verschlossen waren, und lauschten in gedrückter Stimmung Abakums Ratschlägen.
    »Wir dürfen auf der gesamten Reise unseren Plan nie aus den Augen verlieren, müssen aber ständig auf der Hut bleiben. Die Treubrüchigen haben uns bereits demonstriert, dass sie uns im Angriff einiges voraushaben. Diesmal sind die Rollen vertauscht: Nun sind wir in der Offensive, bewegen uns aber auf unbekanntem Terrain.«
    »Ihr vergesst Euren treuen Informanten!«, ertönte die Stimme von Dragomiras Wackelkrakeel.
    »Wie könnten wir?«, widersprach die Baba Pollock und streichelte ihm das Köpfchen. »Dank dir verfügen wir über äußerst wichtige Informationen, und wir hoffen, dass wir auch weiterhin auf dich zählen können.«
    »Ich stehe zu Diensten!«, vermeldete das Geschöpf und nahm Haltung an.
    »Behalten wir also unsere Strategie gut im Kopf«, fuhr Abakum fort, »und jeder handelt nach seinen Möglichkeiten und achtet darauf, sich dabei so wenig wie möglich in Gefahr zu begeben. Und jetzt schlage ich vor, wir brechen auf. Wenn alles gut geht, brauchen wir ungefähr vierundzwanzig Stunden bis zur Insel der Treubrüchigen. Wir könnten also noch vor Einbruch der Dunkelheit eintreffen. Das wäre ideal.«
    Alle schwiegen betreten. Dieser Abschied läutete für die Rette-sich-wer-kann nicht einfach ein neues Exil ein, sondern das Ende ihres Lebens im Da-Draußen. Alle hatten sich gewünscht, dass die bevorstehende Reise sie bis zu den Pforten Edefias führen würde. Das war der eigentliche Grund, weshalb sie hier waren – jeder von ihnen. Doch auch wenn dieser Entschluss fest verankert war, belastete sie der traurige Abschied. Alle hatten Tränen in den Augen. Plötzlich erklang aus der Tiefe des Raums eine Melodie: Tugdual hatte sich an den Flügel gesetzt, schmaler und blasser denn je in seinen schwarzen Kleidern, und spielte ein melancholisches Lied, das den ganzen Kummer der Rette-sich-wer-kann zum Ausdruck brachte. Oksa hob überrascht den Kopf. Noch etwas, was ich nicht wusste, stellte sie im Stillen fest. Sie war berührt von dieser wunderschönen akustischen Version eines Rocksongs, den sie gut kannte. Leomidos Plemplems betrachteten den jungen Mann mit einem Ausdruck voller Zärtlichkeit.
    »Die Initiative des Enkels der Freunde namens Knut begegnet dem Entzücken des Gehörs der Huldvollen-Dienerschaft«, murmelte die Plempline. »Niemand hat seit dem Verschwinden des Für-immer-eingemäldeten-Meisters den Gebrauch dieses melodiösen Instruments praktiziert, und die Ergriffenheit nährt die Zuhörer. Die Gewissheit ist vollkommen.«
    Tugdual warf ihr, ohne die Miene zu verziehen, einen Blick zu und ließ so abrupt den Deckel auf die

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