Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
Vom Netzwerk:
und als Zoé sie ihr zurückholen wollte, bekam sie einen bösen Hieb auf die Schulter. Diesmal griff Tugdual magisch ein: Mit einem Magnetus holte er die Tasche zurück und feuerte dann zur Strafe ein Putrefactio auf den Übeltäter ab. Im Flughafen brach Panik aus, als der Arm des Mannes zu verwesen anfing.
    Bei der Erinnerung an diese unschöne Szene sah Oksa auf und suchte Tugdual mit dem Blick. Die Rette-sich-wer-kann und die Treubrüchigen saßen im selben Wagen des Zuges, der immer weiter in die Wüste Gobi vordrang. Seit Beginn der Reise hatten Gus und Tugdual stets versucht, einen Platz neben Oksa zu ergattern, doch diesmal war es keinem von beiden gelungen. Marie, Pavel, Dragomira und Abakum hatten sich dieses »Privileg« herausgenommen. Dennoch behielten die beiden Rivalen die Junge Huldvolle im Auge, man konnte nie wissen, ob sie nicht doch ihren Schutz brauchen würde … Zumal Orthon ganz in ihrer Nähe war. Seit sie von der Insel aufgebrochen waren, schäumte er vor Wut. Dragomira hatte nicht das Geringste durchsickern lassen: Die Treubrüchigen wussten also immer noch nicht genau, wo die Reise hinführte. Selbst als sie der Baba Pollock heimlich Wahrheitstrank in ihren Tee geschüttet hatten, war Orthon nicht ans Ziel gekommen.
    »Was für ein Widerling«, murmelte Oksa leise vor sich hin.
    »Was hast du gesagt, Liebes?«, fragte Marie.
    Die Junge Huldvolle sah ihre Mutter traurig an. Diese erwähnte die Schmerzen, unter denen sie litt, mit keinem Wort, doch die offensichtliche Verschlechterung ihres Zustands sprach Bände. In den letzten zwei Tagen war ihr Gesicht regelrecht grau geworden, und tiefe Falten hatten sich hineingegraben. Die Krankheit ließ sie ganz in sich zusammensinken.
    »Ich dachte nur gerade daran, dass Orthon nicht eben sanft mit uns umgesprungen ist«, antwortete Oksa und versuchte, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen.
    »So kann man es auch ausdrücken«, entgegnete ihre Mutter und blinzelte nervös. »Wie fühlst du dich?«
    »Na ja … Als ob ich auf einem Drahtseil über einen Krater balancieren würde. Ein falscher Schritt, und ich falle in die brodelnde Lava! Und reiße im Sturz alle anderen in den Abgrund … Kannst du das nachvollziehen?«
    »Nur zu gut«, seufzte Marie. »Aber wir werden es schon schaffen!«
    »Das wäre nicht schlecht, ja«, murmelte Oksa.
    Sie wandte sich ab und betrachtete wieder die verschneiten Hügel und den Himmel, an dem lange schwarze Streifen zu sehen waren. Es beruhigte sie, in die endlose Weite zu schauen. Sie blieb lange Zeit so sitzen, in einer tröstlichen Erstarrung gefangen, bis ihr Blick versehentlich an Gus hängen blieb. Er legte eine Gefasstheit an den Tag, unter der sich, da war sich Oksa sicher, große Angst verbarg. Ob er gerade an seine leibliche Mutter dachte, die sich irgendwo in diesem riesigen Land befand? Aber vielleicht konnte er auch an nichts anderes mehr denken als an die Bedrohung, die auf ihnen lastete und die nur für einige Zeit gebannt worden war.
    »Woran denkst du?«, fragte sie, als sie sich neben ihn setzte.
    »Ach, an nichts Besonderes«, antwortete Gus und rückte ein Stück zur Seite.
    Sie ließ nicht locker. »Die Reise dauert ganz schön lang.«
    Er kauerte sich auf seinem Sitz zusammen und wandte sich ab.
    »Mann, es macht echt Spaß, mit dir zusammen zu sein. Du bist immer so gesprächig!«, stichelte sie.
    »Hey! Nur weil dir stinklangweilig ist, heißt das noch lange nicht, dass du mir deswegen auf die Nerven gehen musst!«
    Oksa biss sich auf die Lippe. Sie streckte die Beine aus und tat so, als würde der Sitz vor ihr ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchen. Sie kratzte an dem zerschlissenen Bezug und zupfte an einem losen Faden.
    »Mir ist nicht stinklangweilig«, sagte sie nach einer Weile.
    Gus blickte sie flüchtig von der Seite an.
    »Okay. Entschuldige.«
    »Schon vergessen!«, sagte sie, erleichtert, dass er wieder etwas zugänglicher war.
    Sie wartete, ob er weiterreden würde, doch er blieb bloß stumm sitzen.
    Nach einer Weile fragte er plötzlich:
    »Hast du vor, diesen Sitz vollends auseinanderzunehmen?«
    »Warum sagst du mir nicht, was dich wirklich beschäftigt?«, antwortete Oksa und wandte sich ihm zu, den Ellbogen gegen die Lehne des Sitzes gestützt.
    »Hast du schon mal daran gedacht, dass manche von uns vielleicht nicht nach Edefia hineinkönnen?«, fragte er sie mit zitternder Stimme.
    Oksa sah ihn verblüfft an:
    »Was willst du damit sagen?«
    »Was, wenn die

Weitere Kostenlose Bücher