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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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nebensächlich. Die beiden verfeindeten Clans arbeiteten Hand in Hand: Die Tornaphyllons, deren Stärke durch ihr Bündnis vervielfacht war, schossen in die Sandwolke hinein und sprengten so einen Tunnel frei, durch den der Zug mit voller Geschwindigkeit dahinbrauste. Unterdessen spuckte Pavels Tintendrache der Sandwolke immer wieder mächtige Flammen entgegen, was ihren Ansturm abbremste. Seine Leistung war von unschätzbarem Wert, und alle bangten um sein Leben. Der Sturm konnte ihn jederzeit davonwehen. »Halt durch, Papa. Halt durch!«, flehte Oksa im Stillen. Das Ringelpupo pulsierte an ihrem Handgelenk, noch nie hatte sie es so sehr gebraucht wie jetzt. Sie war völlig ausgelaugt und dabei halb tot vor Angst.
    »Wir müssen noch achtundvierzig Kilometer zurücklegen«, teilte das Wackelkrakeel plötzlich mit. »Wenn wir weiter in diesem Tempo vorankommen, sollten wir in zwölf Minuten aus der Sandwolke auftauchen.«
    Zwölf Minuten. Nur zwölf Minuten, die sich in die Länge zogen wie Stunden. Würden sie es schaffen? Alle wussten, dass die Kraft der Von-Drinnen, so sagenhaft sie war, nicht größer sein konnte als die der Natur. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass die Natur ihnen, so kurz vor dem Übergang nach Edefia, eine Chance geben würde. Eine einzige winzige Chance …
    »Eine letzte Anstrengung, los!«, forderte Dragomira. »Das Schlimmste haben wir hinter uns.«
    Bei den ermutigend gemeinten Worten ihrer Großmutter wurde Oksa von einem schrecklichen Gefühl erfasst – dass ihnen nämlich das Schlimmste in Wirklichkeit noch bevorstand! Tatsächlich nahm der Sturm an Intensität zu, die Kräfte der Rette-sich-wer-kann und der Treubrüchigen aber nahmen ab. Der Zug fuhr noch, doch die Attacken des Sandsturms setzten ihm schwer zu. Der Sand war durch die kleinsten Lücken gedrungen und breitete sich mittlerweile beinahe einen Meter hoch auf dem Boden aus. Das zusätzliche Gewicht erschwerte das Vorankommen, und der Zug wurde immer langsamer.
    »Was ist los, Abakum?«, rief Dragomira voller Angst.
    Noch ehe der Feenmann antworten konnte, ging ein Beben durch den Zug: Es fühlte sich an, als würde er auf den Gleisen schwanken.
    Abakum wurde blass. »Wir sind zu schwer!«, sagte er. »Wir müssen etwas tun, sonst entgleist der Zug! Naftali, Pierre, ihr müsst ein paar Wagen abkoppeln!«
    Die beiden eilten los, gefolgt von Orthon und Gregor. Als das Waten durch den Sand zu mühsam wurde, vertikalierten sie einfach durch den Zug – und das unter den Augen der in den vorderen Wagen zusammengedrängten Fahrgäste! Bald beschleunigte der Zug wieder, geriet aber nach wenigen Hundert Metern erneut ins Stocken. Der Sturm war einfach zu stark.
    Zu ihrer eigenen Überraschung hörte sich Oksa die anderen antreiben.
    »Los!«, rief sie. »Es wäre doch zu dumm, wenn wir hier im Sand krepieren würden, oder?«
    Bis zur Taille im Sand steckend, schöpften alle ihre letzten Kraft­reserven aus. Da ertönte plötzlich über ihnen ein herzzerreißender Schrei, und die Flügel des Tintendrachen schlugen schlaff gegen die kleinen Scheiben der Lokomotive. Sie erhoben sich ein letztes Mal, ehe sie endgültig auf dem vorderen Zugteil liegen blieben. Der ganze Zug geriet ins Wanken. Der gelbe Drache war dabei, den Tintendrachen zu besiegen!
    »OH NEIN!«, schrie Oksa. »Das darf nicht sein!«
    Im Geiste sah sie ihren Vater leblos auf dem kalten Metall liegen, das Gesicht vom Sand zerkratzt. Wut und Verzweiflung überfielen sie, und ihr Anderes Ich erwachte zum Leben. Oksa merkte, wie dieser Anteil ihrer selbst sich materialisierte und aus ihr heraustrat. Dragomira sah ihr fasziniert zu, hingerissen von dem Wunder, das sich vor ihren Augen abspielte. Die Blicke der beiden Huldvollen begegneten sich voll ehrfürchtigem Staunen, während Oksas Anderes Ich durch den winzigen Spalt des Dachfensters hinausglitt.

Gerettet!
    O
ksa sah nicht, was danach geschah: Sie spürte es so intensiv, als würde sie es selbst erleben. Ihr Anderes Ich dehnte sich aus und legte sich wie ein beschützender Mantel über Pavel und seinen Drachen, die ohnmächtig auf dem Zugdach zusammengebrochen waren. Nach einer Weile merkte Oksa, dass das Herz ihres Vaters wieder zu schlagen begann. Sie spürte, wie das Blut erneut durch seine Adern floss, und stieß einen Jubelschrei aus, den das Andere Ich in einem sagenhaften Hauch hundertfach verstärkte.
    »Seht nur!«, rief Abakum.
    War es eine optische Täuschung? Ein Trugbild, das ihnen ihr

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