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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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sehr von unseren Verlusten herunterziehen lassen.«
    Mit diesenWorten verließ er den Raum und ging die Treppe ins obere Stockwerk hoch. Eine Tür schlug geräuschvoll zu, und die übrigen Rette-sich-wer-kann hüllten sich in betretenes Schweigen.

Tausende kleiner heißer Bläschen
    O
ksa lag auf ihrem Bett und ließ sich die unglaublichen Ereignisse der letzten Stunden durch den Kopf gehen, als jemand dreimal leise an ihre Tür klopfte.
    »Ja?«, sagte sie, ohne sich von der Stelle zu rühren.
    »Darf ich hereinkommen?«
    Es war Tugduals Stimme. Sie setzte sich auf.
    »Äh … ja.«
    Er machte sich nicht die Mühe, die Tür zu öffnen, sondern ging geradewegs durch die Wand.
    »Ein bühnenreifer Auftritt!«, sagte sie, sprang auf und ließ sich auf der Fensterbank nieder.
    »Freut mich, dass es dir gefällt!«, entgegnete Tugdual und sah sie mit seinen stahlblauen Augen an. »Es klappt nicht jedes Mal, aber Ausdauer ist ungemein hilfreich, um ein Ziel zu erreichen.«
    Oksa seufzte – sie war genervt von seinen ewigen Andeutungen.
    »Wie geht’s dir, Kleine Huldvolle?«
    »Na ja, immerhin lebe ich noch«, sagte sie.
    »Das war ein seltsamer erster Schultag, oder?«
    »Ach, weißt du, das scheint meine Spezialität zu sein«, sagte sie beim Gedanken an das letzte Schuljahr. Da hatte sie am ersten Tag McGraws Bekanntschaft gemacht, und es war grauenhaft gewesen.
    »Jedenfalls hast du dich gut geschlagen, gratuliere!«
    Oksa verzog das Gesicht.
    »Ja … außer, dass ich dachte, ich würde sterben, als McGraw mich berührt hat!«
    »Wie hat sich das angefühlt?«, fragte Tugdual neugierig, stieß sich von der Wand ab und stellte sich dicht vor sie.
    Oksa hätte sich fast verschluckt vor Aufregung. Sie schloss die Augen und versuchte mit aller Macht, sich zu beruhigen. Warum kam sie sich nur immer so dämlich vor, wenn sie mit Tugdual sprach?
    »Es hat sich angefühlt, als wäre ich tot«, antwortete sie schließlich.
    »Erzählst du mir mehr davon?«
    Sie holte tief Luft und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen.
    »Du findest wohl alles faszinierend, was mit dem Tod zu tun hat, oder?«, fragte sie zu ihrer eigenen Überraschung.
    Tugdual sah sie ernst an. Dann hellten sich seine Augen auf und bekamen wieder ihren kalten Glanz.
    »Ja!«, sagte er entschieden. »Ich finde alle Formen von Macht faszinierend, und der Tod ist eine von ihnen.«
    »Wie das?«
    »Die Macht über Leben und Tod ist stärker als jede andere, oder?«
    Oksa dachte einen Moment darüber nach.
    »Ja, das stimmt«, gab sie schließlich zu.
    »Und das war das Spiel, das ihr gespielt habt, Orthon und du. Nicht mehr und nicht weniger!«
    »Gespielt? Du hast gut reden!«
    »Alles ist ein Spiel, Kleine Huldvolle. Das Leben ist ein russisches Roulette, eine Lotterie. Und das Schicksal ist der große Manitu. Es gibt den Menschen Waffen in die Hand und zieht die Fäden. Aber das Schicksal entscheidet, wie es ausgeht. Nur dass wir keine gewöhnlichen Marionetten sind.«
    »Und warum nicht?«, fragte Oksa gespannt.
    »Einfach nur, weil wir mehr Macht über Leben und Tod haben als alle anderen auf diesem Planeten. Und du, Kleine Huldvolle, hast am meisten Macht!«
    »Super, danke! Ich bin wirklich begeistert …«, sagte sie und verzog das Gesicht.
    »Du hast am meisten Macht, weil die Zukunft der ganzen Welt von dir abhängt.«
    »Jetzt kann ich dir gerade nicht ganz folgen.«
    »Du wirst die Rollenverteilung und das, was auf dem Spiel steht, schon früh genug verstehen«, orakelte Tugdual weiter. »Aber du hast mir noch nicht geantwortet! Wie hat es sich angefühlt, als Orthon dich berührt hat?«
    »Du gibst aber auch nicht auf!«
    »Ich gebe nie auf …«
    Oksa biss sich auf die Lippen.
    »Es war die Hölle, wenn du es genau wissen willst. Sobald ich Orthon mit den Fingerspitzen berührt habe, hat es sich angefühlt, als würde ich in einen eiskalten See fallen. Das ist mir zwar noch nie passiert, aber ich nehme an, dass es sich genau so anfühlt: Man ist wie gelähmt, fühlt nichts mehr – keinen Schmerz, keinen Kummer, keine Angst.«
    »Keine Angst?«
    »Nein, es war ganz eigenartig. Ich wusste, dass ich Angst haben sollte – aber ich hatte keine! Als hätte ich mich in eine Statue verwandelt. Jetzt erst, im Nachhinein, gerate ich in Panik.«
    Sie stockte, ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »Deswegen und wegen all dem anderen«, brachte sie schließlich noch heraus.
    Dann wandte sie sich ab, weil sie mit den Tränen kämpfte. Als Tugdual ihr

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