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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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ein Ausdruck, den nur heftige körperliche Schmerzen hervorbringen konnten: die stumme Angst vor dem nahenden Tod.
    »Gus … mein Gott … Was ist mit dir passiert?«, murmelte Oksa. Sie stand vor ihrem Bett, auf dem der Junge lag.
    Seine schwarzen Haare reichten ihm inzwischen bis zu den Schultern. Oksa wurde plötzlich von Panik erfasst. Wie viel Zeit war verstrichen? Wie viele Monate? Sie schaute aus dem Fenster und traute ihren Augen nicht. Die Bäume auf dem Platz waren grün, die Sonne schien, und die Luft war, wie ihr jetzt auffiel, ziemlich mild, ja, richtig warm …
    Es war Hochsommer.
    Mindestens acht Monate mussten vergangen sein, seit sie das Tor nach Edefia durchquert hatten .
    Sie schüttelte den Kopf. Was in Edefia eine Woche war, entsprach im Da-Draußen einem Monat. Und die Zeit war nicht auf Gus’ Seite, sondern spielte gegen ihn … Oksa sprang auf das Bett und beugte sich über ihn, so nahe, wie sie es sich bei einer realen Begegnung gar nicht getraut hätte.
    »Du musst unbedingt durchhalten, hörst du?«, schrie sie und hoffte inständig, dass er ihre Botschaft irgendwie wahrnehmen konnte.
    Die traurigen Gitarrenklänge erfüllten das Zimmer.
    You try to break the mould before you get too old
    You try to break the mould before you die
    Cue your face so forsaken, crushed by the way that you cry
    Cue your face so forsaken, say goodbye
    Oksa kannte diesen Song gut. Sie hatte ihn früher oft angehört, als alles noch … normal gewesen war. Eine Welle von Nostalgie überkam sie, während Gus die Augen schloss. Wie weh es tat, diese Zeilen wieder zu hören, die auf einmal so bedeutungsschwer waren.
    Sie beugte sich noch tiefer über ihren Freund und betrachtete sein Gesicht. Die Adern an seinem Hals und seinen Schläfen waren angeschwollen und pulsierten heftig. Von Zeit zu Zeit verkrampfte sich sein Körper unter einer Schmerzattacke, seine Züge verzerrten sich, und Oksa war den Tränen nahe.
    »Nein, Gus, du darfst nicht sterben«, murmelte sie. »Ich werde dich retten, das verspreche ich dir! Wir sehen uns bald wieder!«
    Die Tür quietschte in den Angeln, und Kukka kam herein. »Na klar«, murmelte Oksa böse, »ich brauche nur mal einen Moment mit Gus allein zu sein, schon taucht sie auf!« Ohne es zu ahnen, machte Tugduals Cousine Oksa noch wütender, indem sie sich aufs Bett fallen ließ und dabei das Andere Ich der Huldvollen einfach »durchquerte«. Gus schenkte dem Mädchen, das so hübsch war wie eh und je, ein Lächeln.
    »Was liest du?«, fragte Kukka und deutete auf das Buch, das der Junge zur Seite gelegt hatte.
    Unwillkürlich warf Oksa einen Blick darauf. Es war gar kein richtiges Buch, sondern sah eher aus wie ein Schulheft. Die Seiten waren so zerfleddert, dass das Ganze jeden Moment auseinanderzufallen drohte. Überrascht und mit einem Anflug von Rührung erkannte Oksa die großzügig geschwungene Handschrift Dragomiras. Enthielt das Heft die Erinnerungen ihrer Großmutter? Die Geheimnisse ihrer Arzneien? Oder vielleicht die Rezepte der Huldvollen?
    »Das hat Andrew in einer Truhe in Dragomiras Streng-vertraulichem-Atelier gefunden«, sagte Gus und blätterte vorsichtig darin.
    »Hat sie das alles aufgeschrieben?«, fragte Kukka.
    »Ja. Es sind kleine Geschichten über die Geschöpfe von Edefia. Gedacht für Pavel, als er noch ein kleiner Junge war. Wenn irgendjemand das liest, denkt er bestimmt, dass diese Frau eine Wahnsinnsphantasie gehabt haben muss, um solche Sachen zu erfinden. Aber wenn man weiß, dass diese Geschöpfe tatsächlich existieren, dann verändert das den Blick auf das Ganze ein bisschen.«
    »Ein bisschen, ja, das kann man wohl sagen«, stimmte Kukka ihm lächelnd zu.
    »Sie sind alle da: der Plemplem, der Getorix, die verfrorenen Sensibyllen … Und noch ein paar, die ich nicht kenne, der Nestor und die Wuscheline zum Beispiel.«
    »Toll!«
    »Ja … wirklich … Nur dass ich sie leider nie wiedersehen werde. Selbst wenn es, wie durch ein Wunder, doch eine Möglichkeit gäbe, eine mikroskopisch kleine Chance, wäre ich trotzdem bis dahin tot.«
    »Gus!«, rief Kukka verärgert. »Wie kannst du so etwas sagen!«
    Die Augen des Jungen verdüsterten sich, und ein Ausdruck tiefer Traurigkeit lag in seinem Blick. Oksa verstand seinen Schmerz – und litt noch dazu unter ihrer eigenen Hilflosigkeit. Sie ballte die Fäuste und zerdrückte den Tochalis-Stängel, den sie nach wie vor fest in der Hand hielt. Dann entführte ihr Anderes Ich sie aus dem

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