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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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gefüllt. Alles schien unberührt zu sein. Trotzdem beruhigte sie das nicht.
    Mit dem Rücken zu Tugdual blieb sie eine Weile stehen, ohne ein Wort zu sagen, während der Junge sich ebenfalls schweigend in einen Sessel setzte. Dann drehte sie sich um und sah ihm in die Augen.
    »Was wollte Mortimer von dir?«, fragte sie mit so ruhiger Stimme, dass es sie selbst überraschte.
    Das saß. Tugdual warf verblüfft den Kopf zurück.
    »Woher weißt du das?«, fragte er.
    »Vergiss nicht, dass ich die Huldvolle bin«, erwiderte Oksa. »Die Frage ist also nicht, woher ich das weiß, sondern warum ich nichts davon wissen sollte!«
    Das leise Zittern ihrer Hände und ihrer Lippen war nichts im Vergleich zu dem Durcheinander an Gefühlen, die in ihr tobten. Tugdual stützte die Ellbogen auf die Knie und sah ihr nun offen ins Gesicht.
    »Mortimer will sich uns anschließen«, sagte er gelassen.
    »Wie können wir sicher sein, dass er es ehrlich meint?«, gab Oksa zurück.
    »Du solltest wissen, dass er aufrichtig ist, wenn du weißt, dass er in Die-Goldene-Mitte hineingekommen ist.«
    Oksa holte tief Luft. Es war die Bestätigung dessen, was die Sensibyllen und der Plemplem schon gesagt hatten. Dennoch empfand sie immer noch einen Rest quälender Ungewissheit.
    »Wenn das so ist, wieso ist er dann nicht hiergeblieben?«
    »Wären wir denn bereit, ihn aufzunehmen?«, lautete Tugduals Gegenfrage.
    Oksa funkelte ihn böse an. »Wir haben doch Remineszens und Zoé aufgenommen! Und vor Kurzem auch noch Annikki.«
    »Du weißt genau, dass das nicht dasselbe ist. Außerdem ist Mortimer dort, wo er jetzt ist, für uns nützlicher.«
    Sie sah ihn zweifelnd an.
    Tugduals Züge verkrampften sich. »Was ist?«
    »Kann ich dir überhaupt vertrauen?«
    Tugdual erhob sich mit seinen geschmeidigen Bewegungen, ohne sie aus den Augen zu lassen, und Oksa erschauerte.
    »Willst du einen Beweis?«, fragte er ruhig.
    Oksa nickte.
    »Warte auf mich, ich komme wieder.«
    Zwei Minuten später klopfte er an die Tür. Oksa öffnete ihm ungeduldig.
    »Wenn du das hier siehst, wirst du nicht mehr zweifeln«, sagte er leise.
    Er kniete sich vor einem niedrigen Tisch nieder und stellte einen Holzzylinder von der Größe einer Flasche darauf ab. Dann entfernte er einen der Korken, die beide Enden des Behältnisses verschlossen.
    »Was ist das?«, fragte Oksa und kniete sich neben ihn.
    Tugdual nahm den Behälter in die Hand und schüttete den Inhalt so vorsichtig auf den Tisch, als würde es sich dabei um etwas äußerst Zerbrechliches handeln. Dabei waren es nur Gräser. Dunkelgrüne, glänzende, fette Gräser, so ähnlich wie Schnittlauchstängel.
    »Was soll das?«, fragte Oksa.
    Tugdual nahm einen der Stängel, die fächerförmig auf dem Tisch ausgebreitet lagen, in die Hand und hielt ihn ihr hin. Sie sah ihn fragend an.
    »Das schenkt uns Mortimer, zum Beweis seiner Aufrichtigkeit.«
    Oksa schnaubte verächtlich.
    »Gräser? Zum Beweis seiner Aufrichtigkeit? Das ist doch wohl nicht dein Ernst.«
    »Das ist Tochalis, Oksa«, unterbrach Tugdual sie. »Die Pflanze, die deiner Mutter das Leben retten wird!«
    Verstört griff Oksa nach dem Stängel, den Tugdual ihr entgegenhielt.
    Und dieser kurze Kontakt mit der Pflanze genügte, um sie in ein schwindelerregendes schwarzes Loch hinabzuziehen.

Ohne Hoffnung
    D
as Erste, was sie wahrnahm, war ein modrig-feuchter Geruch, in den sich der Duft von frisch gebrühtem Kaffee mischte. Und das Erste, was sie hörte, war ein vertrauter, melancholischer Song, bei dem es ihr fast das Herz zerriss, kaum dass ihr Anderes Ich auf dem Treppenabsatz des zweiten Stockwerks im Haus am Bigtoe Square angekommen war.
    You try to break the mould before you get too old
    You try to break the mould before you die
    Cue your face so forsaken, crushed by the way that you cry
    Cue your face so forsaken, say goodbye
    Wie von einem Magneten angezogen, begab sich Oksa in das Zimmer, das ihres gewesen war – das immer noch ihres war! Und es erstaunte sie eigentlich nicht, dort Gus vorzufinden.
    Seit ihrem letzten Besuch hatte sich der Zustand des Hauses sichtlich verbessert. Es gab wieder Strom, die verschmutzten Tapeten waren abgezogen und die Wände weiß gestrichen worden, die Böden waren von dem Schlamm gereinigt, den die wiederholten Überschwemmungen hinterlassen hatten.
    Gus hingegen war nicht gerade in Topform. Er war extrem abgemagert, mehr noch als bei Oksas letztem Besuch. Sein Gesicht war eingefallen, und in seinen Augen lag

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