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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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wie gut ihr Krakeel tatsächlich Bescheid wusste. Ein fast unsichtbarer, kaum mehr als einen halben Meter breiter Riss trennte die beiden Felsmassive voneinander. Doch nicht weil er so schmal war, entging er dem Auge, sondern weil er hinter einem Wasserfall verborgen lag! Es bedurfte schon der besonders scharfen Sinne des Wackelkrakeels, um ihn zu entdecken. Voller Stolz über den kostbaren Beitrag, den es geleistet hatte, führte das kleine Geschöpf Oksa samt ihrem Plemplem bis zu dem Wasser, das mit tosendem Lärm in die Tiefe stürzte. Nachdem sie den Sturzbach durchquert hatten, zwängte sich die Junge Huldvolle in die Spalte und erkannte nun, was mit der »verlassenen Schlucht« eigentlich gemeint war. Rechts und links von ihr ragten die Felswände Hunderte von Metern in die Höhe und fielen ebenso weit in die Tiefe ab. Es sah aus wie ein unendlich tiefer Brunnen und wirkte überaus beängstigend.
    In der Schlucht war es stockdunkel. Ganz weit oben war die Abenddämmerung in Form eines zarten orangefarbenen Streifens gerade noch zu erahnen. Oksa blieb in der Luft stehen und tauschte ihre Sonnenbrille gegen eine Phosphorille ein. In ihrem Licht schimmerten die Felsen in tiefem Schwarz und wirkten geradezu erdrückend massiv.
    »Ich werde doch nicht hier drin stecken bleiben, oder?«, fragte sie mit einem leisen Zweifeln in der Stimme.
    »Die Spalte ist sechsundfünfzig Zentimeter breit, die Schultern meiner Huldvollen hingegen nur dreiundfünfzig. Ihr habt also genug Platz«, stellte das Krakeel gelassen fest.
    Oksa fand diese Angaben keineswegs beruhigend, verkniff sich aber eine Bemerkung.
    »Meine Huldvolle ist sehr schmal gebaut«, fuhr das Krakeel fort. »Jeder andere Mensch würde Gefahr laufen, stecken zu bleiben. Aber meine Huldvolle kann ganz beruhigt sein.«
    »Na schön«, willigte Oksa ein.
    »Wir müssen zweihundertfünfundsiebzig Meter auf diese Weise zurücklegen, dann wird sich die Schlucht verbreitern.«
    »Darauf freue ich mich jetzt schon.« Oksa ließ den Blick über die enormen Felswände zu beiden Seiten wandern. »Ich komme mir vor wie lebendig eingemauert.«
    Äußerst vorsichtig wagte sie sich in den schlauchartigen Canyon hinein. Die Invisibellen beschützten sie zwar vor Blicken sowie vor der Wirkung von Granuks und Zaubersprüchen, jedoch nicht vor Kratzern, sollte sie auch nur um eine Winzigkeit von ihrem Kurs abweichen. Und die schwarzen Steine machten es auch nicht besser. Doch nachdem sie sich ein paarmal gestoßen hatte, fand sie schließlich die richtige Technik: Mit nach vorn gestreckten Armen und schnurgerade ausgerichtetem Kopf legte sie Meter für Meter zurück.
    Wie das Krakeel versprochen hatte, weitete sich die Schlucht schließlich zu einem Tal, das von steilen Felsen umgeben war. Hoch oben sah Oksa den Vollmond stehen. Sein milchiges Licht erhellte die Schlucht. Die Felsen waren jetzt nicht mehr nur schwarz, sondern schillerten blau, rot oder grün oder sogar in einem unglaublichen Bernsteingelb, das aussah wie goldenes Glas. Tief unten im Talgrund glänzte der silbrige Faden eines schmalen Wasserlaufs. Schwärme von fliegenden Fischen schossen daraus hervor, ihre Schuppen glitzerten wie Funken in der Nacht. Es war ein grandioses Schauspiel, und Oksa hätte beinahe ihre Mission vergessen, samt der damit verbundenen Gefahr. Doch sie wurde schnell wieder von der Realität eingeholt: Gerade als sie um eine Biegung flog und das nächste Tal erreichte, tauchte eine Patrouille der Treubrüchigen auf.

Im Angesicht der Gefahr
    D
as Wackelkrakeel bremste abrupt und Oksa ebenso, nur leider ein wenig zu spät. Mit voller Wucht schleuderte die Vertikaliererin ihren kleinen Kundschafter nach vorn und sauste selbst samt Plemplem mitten in die Patrouille hinein. Ihr rutschte ein Fluch heraus, doch die Treubrüchigen spürten nur ein leises Zittern durch ihren Körper gehen, kaum mehr als ein Lufthauch. Und so vollzog sich die Kollision ebenso lautlos wie folgenlos für die drei Eindringlinge, die mit einem gehörigen Schrecken davonkamen.
    »Eigentlich brauchen wir ihnen nur zu folgen«, sagte Oksa und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Meine Huldvolle hat recht«, sagte das Wackelkrakeel. »Sie steuern die Mitte des Steilfels-Gebirges an.«
    »Und dort befindet sich das Hauptquartier von Ocious und seinen Männern«, fügte Oksa hinzu und verspürte plötzlich den enormen Druck, der auf ihr lastete. »Ich brauche dieses Mauerwandel-Elixier, unbedingt.«
    Der Plemplem gab

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