Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)
ehemaligen Huldvollen und ihren Gästen, kein anderer ist willkommen. Hab Vertrauen, Oksa.«
Mehrere Alterslose umhüllten sie mit ihrem wärmenden Schein. Oksa sah, dass Ocious zurückwich, was Maloranes beruhigende Worte bestätigte. Doch sein streitbarer Ausdruck war unverändert.
»Was sollen wir nur tun?«, fragte Oksa.
Sie sah sich im Geiste schon monatelang auf der Insel festsitzen, denn so wild entschlossen, wie Ocious wirkte, würde er die Belagerung bestimmt nicht so schnell aufgeben. Tränen stiegen ihr in die Augen. Es kam ihr vor, als säße sie in einem goldenen Käfig, während die Ihren ohne Unterlass kämpfen mussten.
»Du bist jetzt eine Huldvolle …«, antwortete Malorane.
»Ich habe aber nicht den Eindruck, dass mir das sehr viel nützt!«, unterbrach Oksa sie und stampfte wütend auf dem schlammigen Boden auf.
»Du bist eine Huldvolle«, wiederholte Malorane, »und das verleiht dir einzigartige Kräfte.«
Oksa zeigte auf die Soldaten und die Insektenschwärme. »Gegen die … gegen diese Übermacht kann ich nicht kämpfen!«
»Kämpfen? Nein, du darfst dein Leben wirklich nicht aufs Spiel setzen, das steht außer Frage. Doch du kannst ihnen entkommen.«
»Aber wie denn?«
»Vielleicht weißt du ja selbst, was du brauchtest, damit es dir gelingt?«
Oksa zermarterte sich das Hirn, sank dann jedoch mutlos in sich zusammen.
»Das würde doch sowieso nur gehen, wenn ich unsichtbar wäre.«
Bei diesen Worten wurde Maloranes nebulöse Gestalt wieder weiß, und ein Beben ging durch die Reihen der Alterslosen. Der Plemplem trat zu Oksa, seine großen blauen Augen glänzten vor Aufregung.
»Meine Junge Huldvolle hat soeben das Legen des Fingers auf die Lösung betrieben.«
Oksas Blick wanderte zwischen den Alterslosen Feen und dem freudig erregten kleinen Geschöpf hin und her.
»Soll das heißen, dass ich unsichtbar werden kann?«, rief sie ungläubig aus. »Ist das, weil … ich meine, habe ich das der Tatsache zu verdanken, dass ich eine Mauerwandlerin bin?«
Der Plemplem schüttelte den Kopf.
»Meine Junge Huldvolle drückt nicht den zutreffenden Grund aus. Doch Eure Dienerschaft wird wichtige Indizien zur Verfügung stellen. Hat meine Junge Huldvolle die Erinnerung an den Besuch im Inneren des Silos des heiß geliebten Feenmannes bewahrt?«
Oksa fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
»Ja, ja … Da gab es so viel Neues! Lass mich nachdenken. Die Centaurea, die Nobilis, die Pulsatilla, magische Kräuter, Eisenhut, Tollkirsche …«
»Weder Pflanzen noch Kräuter werden meiner Jungen Huldvollen die Gabe der Unsichtbarkeit gewähren«, unterbrach sie der Plemplem.
»Was denn dann?«, fragte sie ratlos.
Sie dachte an Gus. In solchen Situationen hatte er immer eine Antwort parat gehabt. Er hatte ein Gedächtnis wie ein Elefant! Doch Gus war nicht da. Sie zwang sich, ruhig zu atmen, und versenkte sich in ihre Erinnerungen. Abakums Haus, das ehemalige Getreidesilo, das Gewächshaus voller verrückter Pflanzen, die Pizzikins, die sich wie verrückt gebärdeten … Dann plötzlich fiel es ihr ein. »Die Invisibellen! Das ist es doch, oder?«
Die Alterslosen erstrahlten in einem hellen Licht, während der Plemplem in seiner hinreißend tollpatschigen Art in die Hände klatschte. Oksa jubelte: Die Lösung hatte in ihr selbst gelegen, und sie hatte sie gefunden! Die Invisibellen waren diese fliegenden Kaulquappen, die immer neue bewegliche Gemälde gebildet hatten, um sie willkommen zu heißen. Aber das war nicht ihre eigentliche Aufgabe – sie waren wunderbare Chamäleons und konnten der Huldvollen dadurch, dass sie sich perfekt an ihre Umgebung anpassten, zur Unsichtbarkeit verhelfen. Als sie Abakum damals gefragt hatte, ob sie es ausprobieren dürfe, hatte der nur gesagt: »Wenn sich eine passende Gelegenheit ergibt, ja.« Jetzt war also die Zeit gekommen.
»Das Problem ist, dass es nur genügend Invisibellen für dich und deine beiden Geschöpfe gibt«, teilte ihr Malorane mit. »Keine von uns kann dich begleiten, meine Kleine. Obwohl wir körperlos sind, würde Ocious uns aufspüren, und das würde deine Flucht erschweren.«
»Keine Sorge, ich schlage mich schon durch«, sagte Oksa tapfer. »Aber … wo soll ich denn überhaupt hin?«
»Überlässt du uns für einen Moment dein Wackelkrakeel, bitte?«, bat Malorane.
Oksa gehorchte, und eine Alterslose flüsterte dem kleinen Geschöpf die Hinweise zu, die es benötigte, um die Junge Huldvolle an ihr Ziel zu führen. Dann
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