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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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die sich – unter strenger Bewachung seiner Soldaten – vor ihren Häusern versammelten.
    Seine beiden Söhne waren da unten, in den vom tagelangen Regen schlammig gewordenen Straßen. Orthon und Andreas. Andreas und Orthon. Sie hassten einander, das war offensichtlich. Und er? Liebte er sie? Ocious schüttelte unwirsch den Kopf, dann richtete er den Blick auf ein Feuer in der Ferne, das in den Außenbezirken der Goldenen-Mitte brannte.
    »Warum tut Ihr das?«, schrie ein junges Mädchen Andreas an.
    Zwei Soldaten hielten sie unerbittlich fest, der eine an ihren langen Haaren, der andere an den Armen.
    Andreas baute sich vor ihr auf. »Dein Vater und dein Urgroßvater sind Aufwiegler«, antwortete er. »Aufwiegler und Querulanten. Sie haben Edefia verraten.«
    Seine erstaunlich ruhige, fast schon schmeichlerische Stimme passte weder zu seinen Worten noch zu seinem bitterbösen Blick. Andreas war ein eigenartiger Mann. Seine seltenen Gesten waren präzise, und sein messerscharfer Verstand hatte etwas Bedrohliches. Das Mädchen vor ihm schlug wild um sich. Die Soldaten griffen noch fester zu und zerrissen dabei die Ärmel ihres Kleides.
    »Mein Vater und mein Urgroßvater sind keine Abtrünnigen!«, schleuderte sie Andreas entgegen. »Sie lieben Edefia mehr als Ihr und Euer tyrannischer Vater!«
    Alle machten sich darauf gefasst, dass Andreas sie ohrfeigen würde. Doch sie täuschten sich. Er sah sie nur verächtlich an und schnalzte mit den Fingern. Sofort stürmten die Soldaten in ihr Haus und warfen alles, was sie finden konnten, zum Fenster hinaus. Anschließend schleiften sie einen alten Mann auf die Straße.
    »Lasst ihn in Ruhe, ihr brutalen Kerle!«, schrie das Mädchen und wehrte sich noch heftiger.
    »Steh auf, Arvö!«, befahl Andreas. »Schlimm genug, dass Achilles Schande über deine Familie gebracht hat.«
    »Mein Vater hat nichts gemacht!«, widersprach das Mädchen, obwohl ein Schwarm von Hellhörigen um es herumsurrte. »Es ist kein Verbrechen, zu sagen, was man denkt!«
    Andreas fixierte sie mit seinen pechschwarzen Augen.
    »Natürlich nicht«, sagte er und grinste hinterhältig. »Aber in so schwierigen Zeiten Zwietracht zu säen, das ist ein Verbrechen.«
    »Wo ist mein Enkel?«, fragte der alte Arvö.
    »Dort, wo er keine Lügen mehr verbreiten kann«, gab Andreas zur Antwort.
    »Dazu hattet ihr kein Recht!«, rief das Mädchen völlig außer sich.
    Diesmal nahm Andreas’ Gesicht einen unheilvollen Ausdruck an. Er stellte sich ganz dicht vor sie und stieß ihr den Zeigefinger gegen die Stirn, genau zwischen die Augen.
    »Du täuschst dich, kleine Lucy. Ich habe alles Recht der Welt.«
    Und mit diesen Worten drehte er sich um, packte eine Fackel und setzte unter den entsetzten Blicken der Menge das Haus in Brand.
    Orthon hatte die Szene aus einiger Entfernung schweigend verfolgt. So setzte also sein wunderbarer, hochbegabter Halbbruder seinen Willen durch! Ein Schönredner an der Spitze einer Bande von muskelbepackten Söldnern, das war er, weiter nichts. Diesen Alten einzuschüchtern, die Kleine zu ängstigen, das Haus anzuzünden – sollte das etwa eine Demonstration der Stärke sein? Er, der Ältere, hatte da wirklich anderes zu bieten – und er hatte mehr Stil! Orthon zückte sein Granuk-Spuck, zielte auf Arvö und blies hinein. Mit weit aufgerissenen Augen brach der Alte zusammen. Die Wachen, die genauso entsetzt waren wie alle anderen, ließen Lucy los. Weinend stürzte sie zu ihrem Urgroßvater. Orthon warf Andreas einen verächtlichen Blick zu, drehte sich um und ging wortlos davon. Der Kampf hatte eine neue Dimension angenommen.
    Alle sechs Städte wurden systematisch und brutal verwüstet.
    Doch Laubkroning – die größte Stadt von Grünmantel – leistete unerwartet Widerstand. Dafür bot die Stadt dank ihrer Anlage auch beste Voraussetzungen. Die Häuser waren alle in unterschiedlicher Höhe in die Bäume gebaut worden und nur durch Seilrutschen und Hängebrücken miteinander verbunden. Diese terrassenförmige Struktur erschwerte die Ausführung von Ocious’ Befehlen ungemein. Aber noch mehr als das unwegsame Gelände machten den Treubrüchigen die Aufständischen zu schaffen. Unter der Leitung eines maskierten Mannes, der ein Granuk-Spuck besaß, wehrten sich die Silvabulaner gegen die Gewalt, die ihnen angetan wurde. Während die Soldaten sich mühsam von einem Haus zum nächsten vorarbeiteten, huschten Schatten zwischen den riesigen Bäumen umher. Flink wie

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