Oktoberfest
jeden Fall aber eine Stange Geld.
Er tastete seine Taschen ab. Da war sie ja. Sein Schatz. Die Telefonkarte. Mit fünf Euro Guthaben. Jetzt musste er nur noch eine Telefonzelle finden. Ein prima Plan.
Ludwig Lochbihler rieb sich selbstzufrieden die Hände.
Dann machte er sich auf den Weg, das Geschäft abzuwickeln.
*
Dr. Frühe hatte völlig recht. Die psychischen Auswirkungen waren noch gar nicht abzuschätzen. Nicht nur die Auswirkungen innerhalb der Polizei und des Grenzschutzes waren kaum kalkulierbar, auch die Auswirkungen innerhalb der Bevölkerung bereiteten dem Bundeskanzler Kopfzerbrechen.
Der Tod der GSG-9-Beamten zeigte doch, dass der Staat diesen Terroristen nicht gewachsen war. Zumindest würde es die Presse so hinstellen: die Toten zu Helden verklären und die politisch Verantwortlichen ans Kreuz nageln.
Die Gedanken des Bundeskanzlers kreisten um den Vorschlag des Mannes, den er unter den Decknamen Poseidon und Zerberus kannte. Wäre das alles zu verhindern gewesen, wenn sie gleich das Militär eingeschaltet hätten?
Da öffnete sich die Tür, und der Verteidigungsminister trat ein. Er hob grüßend die Hand. Noch wusste er nichts über das Fiasko in München.
»Guten Morgen, die Herren!« Seine Miene verdüsterte sich schlagartig, als er die mutlosen Züge des Innenministers sah. »Wie schauen Sie denn aus der Wäsche? Ist etwas passiert?«
»Allerdings. Hören Sie mal«, sagte der Innenminister mit tonloser Stimme und drückte auf den Abspielknopf des Laptops. Wieder ertönte der Funkverkehr der letzten Minuten der GSG-9-Operation.
»Mein Arm, o Gott, mein Arm! Ich blute stark!« Die Worte waren kaum verständlich. »Wir haben Verluste!« Eine andere Stimme. »SANITÄTER!!« Etwas blubberte in dem Wort. »Wir brauchen Verstärkung!« Die Stimme von Qualen entstellt. »Hilf mir doch jemand, bitte! Himmel! Alle anderen sind tot! Ich bin verwundet!« Der blanke Horror.
Der Innenminister stoppte die Aufzeichnung. Die Bestürzung stand dem Verteidigungsminister ins Gesicht geschrieben. Der Bundeskanzler räusperte sich. »Haben wir eigentlich etwas Neues von Poseidon gehört? Wissen Sie, wo der Mann ist?«
»Poseidon wollte mit den Männern der GSG 9 in die Kanalisation gehen. Das ist das Letzte, was ich von ihm weiß.«
»Was? Heißt das, wir haben auch Poseidon verloren? Der Mann ist auch tot?«
Der Verteidigungsminister wiegte den Kopf hin und her, während er weitersprach. »Das glaube ich nicht. Ich möchte auch den Rest der Aufzeichnung hören.«
Der Innenminister fuhr mit dem Finger über das Trackpad des Laptops und klickte auf »Fortfahren«.
Schreie. Hilferufe.
Dann eine Stimme, von Interferenzen verzerrt. »Versuchen Sie, sich in Sicherheit zu bringen! Suchen Sie Deckung! Versuchen Sie Ihr Glück in den kleinen Seitenkanälen!«
Der Verteidigungsminister sah den Bundeskanzler an. »Wessen Stimme ist das, Ihrer Meinung nach?«
»Ich weiß nicht«, begann der Regierungschef zögernd. Aber er musste dem Verteidigungsminister recht geben. Das konnte die Stimme von Poseidon sein. Er wandte sich an den Innenminister. »Steht etwas darüber in den Protokollen zu dem Mitschnitt?«
Der Innenminister hatte bereits begonnen, in seinen Unterlagen zu blättern. »Nein. Steht nicht im Protokoll. Ist nicht erwähnt.«
»Wieso steht nichts über diesen Funkspruch in den Protokollen?«, fragte der Regierungschef irritiert nach. »Die Dokumentation bei solchen Einsätzen ist doch lückenlos. Wie kann so etwas sein?«
Der Verteidigungsminister antwortete: »Sehen Sie, Herr Bundeskanzler, offiziell waren nur die zwanzig Männer der GSG 9 an dieser Operation beteiligt. Da niemand im BKA jemanden namens Müller vermisst, taucht er auch nicht in den Protokollen auf. Ich habe Ihnen doch gesagt: Poseidon ist ein Mann ohne Schatten.«
Der Bundeskanzler rieb sich mit der rechten Hand mehrmals über Stirn und Augen. »Mein Gott, Sie sind aber wirklich zynisch. Ich meine, Sie haben vermutlich einen Ihrer besten Männer verloren. Das wollen Sie einfach ignorieren?«
»Nein, Herr Bundeskanzler. Was ich sagen wollte, war, dass ich berechtigten Grund zu der Annahme habe, dass Poseidon noch lebt.«
»Ach, und wie kommen Sie darauf? Ist der Mann unsterblich? Hat er mit Ihnen telepathischen Kontakt aufgenommen? Haben Sie das zweite Gesicht?«, fragte der Innenminister bissig nach.
Der Verteidigungsminister ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Nein, nichts von alledem«, sagte er. »Aber erstens bin
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