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Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman

Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman

Titel: Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer&Meyer GmbH & Co.KG
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ungebremst in den Fond meines Autos. Wie durch ein Wunder geschah niemandem etwas.

Barfuß kann man keinen Krieg gewinnen
    Ich war wieder allein mit meinen Büchern über den Ungarn-Aufstand. Las über die Amerikaner, die den Pester Aufständischen zum »Mann des Jahres« wählten, als alles vorbei war. Leider gab es kein Fundraising dafür. Las über die Österreicher, die ihre Armee zum Entsatz der ehemaligen Bundesbrüder anmarschieren lassen wollten, aber nicht genügend Stiefel für sie hatten. Wir warten noch auf eine Stiefellieferung aus der Schweiz, bittschön solange die Kriegshandlungen einzustellen, sich am Grenzzaun in Reih und Glied aufzustellen und keine Verunreinigungen abzustellen. Habe die Ehre. Barfuß kann man keinen Krieg gewinnen.
    Das orthodoxe Weihnachtsfest war noch nicht ganz vorüber, da befahl mir Alezja schon wieder.
    »Ich will dich sehen.«
    »Komm vorbei.«
    »Komm du. Die beiden sind bis morgen weg.«
    »Spinnst du? Und wenn uns jemand sieht?«
    »Reizvolle Vorstellung … genau, laß uns das so machen – «
    »Ali!«
    »Hm?«
    »Ich komme. Aber nicht vor Einbruch der Nacht. Und wir verkaufen keine Eintrittskarten!«
    Ich fragte mich, weshalb mich Lesja nicht schon längst losgelassen hatte. Weshalb sie mich noch immer haben wollte.
    Sie wußte, daß Tanja und ich uns nur noch selten sahen. Ich wußte, daß Lesja neben mir zahllose Affären hatte. Doch als wir auf ihr Drängen den Sex in die Toilette verlagerten, dort, wo man wegen der Enge des Raums die Tür nicht schließen konnte, dort, wo sie lernen mußte, sich an die Männer zu gewöhnen, eine Idee, die alles toppte, was sie zuvor ausgeheckt hatte, als Lesja mich antrieb, immer und immer wieder ihren neuen Namen zwischen den Atemstößen zu rufen, zu schreien, Ali, Ali, Ali, wurde mir, schon heiser von den offenen Vokallauten, schlagartig bewußt, daß sie von mir etwas bekam, was die anderen, die ihr Spiel mit ihr trieben, ihr nicht geben konnten. Selbst in der Brutalität, die der Akt zwischen uns hatte, fühlte sie sich als sie selbst, mit ihrem neuen Namen, Ali, den ihr der Teufel gesagt hatte (kein Wunder, war sie doch des Teufels Großmutter), fühlte sie sich »gemeint«. Von mir fühlte sie sich »gemeint«. Lesja benutzte mich für Experimentanordungen in Sachen Selbstbestätigung. Und ich ließ mich benutzen. In Ketten legen. Wir tobten uns aufeinander aus. Wenn auch immer schneller außer Atem als früher.
    Dann wieder gab es dieses Schweigen. Zwischen Lesja und mir. Unser Schweigen. Wenn ich nicht sprach. Das Schweigen, das ich als Hohn deutete. Sie verhöhnte meine Feigheit, verhöhnte den Intellektuellen und seine »hochfliegenden Pläne« (welche Pläne?, welche denn nur???).
    Wahrscheinlich hatte ich ihren Namen zu oft geschrien und bekam davon eine schwere Kehlkopfentzündung. Der selbst nicht gerade wortgewandte Arzt drückte mir Doxycyclin in die Hand und mümmelte: »Reden ist Silber«.
    Unser Donnerstag wurde zur Farce. Ich hatte mir meine wenigen und gezielt gesprochenen Sätze für den Portier aufgehoben. Von diesem Moment an fiel kein Wort zwischen uns.
    Lesja machte Anstalten, nach dem Sex noch auf einen Absacker in die hoteleigene Bar zu gehen. Die zur Disco umfunktioniert worden war. Oder was man hier auf dem Land für eine Disco hielt. Aus den Boxen krachte schlechtgemischter Sound aus russischer Massenproduktion. Wir bestellten Baltika 3 und Wodka, Lesja schüttete ihren einfach ins Bier, trank ab, bestellte neuen. Auf diese Weise brachte sie es zu einer ansehnlich alkoholhaltigen Neige in ihrem Glas, die sie ruckartig stürzte. Eine an der Wand angebrachte Plexiglasscheibe strahlte hellblaues Licht, die Discokugel orangefarbenes. Die Kneipenbeleuchtung teilte Alezjas Gesicht scharf in eine blaue und eine orangene Hälfte. Auf der orangefarbenen Hemisphäre zeigten sich Schweißspuren. Plötzlich zog sie ein kariertes Stück Stoff aus ihrer Handtasche. Sie hatte sich an Tanjas Reliquien zu schaffen gemacht, lehnte sich zurück und sah mich herausfordernd an.
    Ich wischte die Manschette zur Seite. Mit meinem rechten Zeigefinger begann ich damit, Brotkrumen vom Tisch zu kicken. Je länger unser Schweigen anhielt, desto mehr erhöhte ich meine Schlagzahl gegen die Brösel, als wären sie Teil einer konterrevolutionären Kulturoffensive. Alezja rauchte, starrte vor sich auf den Tisch. Am Mischpult war man auf Heavy Metal umgestiegen. Oder das, was man dafür hielt.
    »Hast du endlich diese beschissenen

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