Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
fühlen würde. Gleichzeitig war ihm auch bewusst, dass Knaf die operative Arbeit vermisste. Es war offensichtlich, dass er sich mit seiner neuen Aufgabe noch nicht identifizieren konnte und lieber weiter als Macher gearbeitet hätte, statt nur in der Rolle als Vorgesetzter über die Ermittlungen zu wachen, die jetzt andere anstellten.
»Wie sind Sie damals bei Ihren Ermittlungen genau vorgegangen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ihre Informantin, Frau Schirmer-Lunz, die wir bei unseren Ermittlungen bisher nur als Catharina Aigner kannten, hat Ihnen Papiere beschafft. Mit wem kam sie bei Ihren Ermittlungen dabei in Kontakt?«
Davídsson sah in Knafs Gesicht, dass er immer noch nicht verstand, worauf er hinauswollte.
»Wir versuchen zu ermitteln, wo die Verbindung zwischen dem Mörder und dem Opfer besteht – wo sich ihre Wege gekreuzt haben. Nehmen wir einmal an, und der Schluss liegt jetzt ja sehr nahe, dass unser Opfer trotz Zeugenschutzprogramm gefunden wurde und dann im Auftrag dieses … Saitô … Spreche ich das richtig aus?«
Knaf nickte lächelnd.
»… Also nehmen wir an, dieser Saitô hat den Mord an Lea Schirmer-Lunz in Auftrag gegeben. Aus Rache vermutlich. Vielleicht gab es aber schon bei Ihren Ermittlungen einen Punkt, wo sich die Wege von Opfer und Täter gekreuzt haben.«
»Sie meinen, diese alte Verbindung musste nur noch reaktiviert werden, um den Auftrag zu geben?«
»Ja.«
»Die beschafften Papiere waren natürlich alle auf Japanisch und wir haben hier keine Übersetzer im Präsidium, die ausreichend gut qualifiziert Japanisch übersetzen können. Wir mussten also auf ein Übersetzungsbüro zurückgreifen, das uns von Frau Schirmer-Lunz empfohlen worden war. Damals reichte aus unserer Sicht nur eine oberflächliche Überprüfung, weil sie ja am ehesten einschätzen konnte, wer mit dem Yamaguchi-gumi zusammenarbeitete.«
»Ich verstehe.«
»Ich kann Ihnen den Namen des Übersetzungsdienstes heraussuchen lassen, wenn Sie das für Ihre Ermittlungen benötigen.« Michael Knaf sah kurz schweigend aus dem Fenster. Draußen hatte sich der Himmel weiter zugezogen und es regnete jetzt stark. »Andere Berührungspunkte fallen mir im Augenblick nicht ein. Im Lauf des Prozesses wurde Frau Schirmer-Lunz natürlich als Zeugin vernommen, aber zu diesem Zeitpunkt stand sie schon unter Zeugenschutz. Soweit mir bekannt ist, musste sie jedoch nie in Anwesenheit von Tsuyoshi Saitô aussagen, obwohl dieser natürlich ahnen konnte, wer ihn verraten hatte. Die Dokumente, die sie uns vorgelegt hatte, waren nur einem sehr begrenzten Mitarbeiterkreis der Bank zugänglich. Und der Anwalt von Saitô war natürlich bei den Vernehmungen anwesend. Es ist nicht auszuschließen, dass er ebenfalls für das Yamaguchi-gumi arbeitet.«
»Aber sowohl das Übersetzungsbüro als auch der Anwalt dieses Mafiafürsten kannten mit Sicherheit nicht ihre neue Identität aus dem Zeugenschutzprogramm. Sonst würde der ganze Zeugenschutz kaum noch Sinn machen«, gab Joseph Wagner zu bedenken. Er hatte die ganze Zeit über die Überlegungen der beiden Ermittler schweigend verfolgt.
»Die Verbindung muss also auf einem anderen Weg zustande gekommen sein«, überlegte Davídsson, der schon mit dieser Aussage seines Kollegen gerechnet hatte. »Sind Sie im Laufe Ihrer Ermittlungen auf irgendwelche Bestrafungsrituale des Yamaguchi-gumi gestoßen?« Ólafur Davídsson dachte wieder an den kahl geschorenen Kopf von Catharina Aigner.
Er konnte sich nur schwer an ihren echten, seiner Meinung nach jedoch äußerst sperrigen Nachnamen gewöhnen. Bisher musste er jedes Mal, wenn er ihn sagen wollte, auf seine Notizen sehen.
Schirmer-Lunz.
Er schüttelte gedankenversunken seinen Kopf.
»Entschuldigung, ich dachte, mein Kopfschütteln reicht Ihnen. Nein, mir ist nichts über entsprechende Rituale bekannt geworden.« Michael Knaf hatte offensichtlich geglaubt, dass Davídssons Geste ihm gegolten hätte.
»Haben Sie einen Ansprechpartner für uns, der uns ein paar Hintergrundinformationen über Japan geben könnte? Jemanden, bei dem Sie sich möglicherweise informiert haben?« Davídsson erinnerte sich an das Japanische Institut in Frankfurt, das ihm von der Fernsehredakteurin empfohlen worden war.
»Ja, natürlich. Ich kann Ihnen Professorin Großmann an der Goethe-Universität hier in Frankfurt empfehlen. Ihr Fachgebiet ist die Kulturgeschichte Japans. Frau Schirmer-Lunz hat uns auch diese Ansprechpartnerin vermittelt. Ich glaube, sie waren
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