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Olga & Lust und Leid

Olga & Lust und Leid

Titel: Olga & Lust und Leid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Anderson
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entsprachen. Schade, dass wir dergleichen nicht vor einhundert Jahren, als 1917 die Revolution ausbrach, besaßen. Vielleicht wäre dadurch unsere Familie nicht in die Hände der Bolschewiki gefallen.
    Die Fenster der übrigen Wohnung waren durch hölzerne Jalousien verdunkelt. Die künstliche Innenbeleuchtung war so eingestellt, dass meine Augen alles im Raum gut sehen konnten. Das Lampenlicht vertrug ich wesentlich besser als das natürliche, da dieses ein angenehmeres Lichtspektrum hatte. Vampire verbrennen auch nicht durch die Sonnenstrahlung. Nur die Empfindlichkeit der Augen ist durch die Fähigkeit zum nächtlichen Sehen extrem hoch.
    Das war auch der Grund, warum ich am Tage eine sehr starke Sonnenbrille benutzte. Zu viel natürliches Licht löste schnell Migräneattacken aus. Ich erklärte meine ungewöhnliche Körperreaktion und das ständige Tragen zumeist mit Epilepsie. Dann nahm keiner mehr Anstoß an den sehr dunklen Gläsern, die ich auch in geschlossenen Räumen mit Fenstern tragen musste.
    Bei mir zu Hause brauchte ich keine. Die Belichtung war an meine Bedürfnisse angepasst und ich konnte dadurch die wunderbaren farblichen Facetten der Einrichtung genießen und mich an ihrer Ästhetik erfreuen. Die Kontraste erschienen mir scharf und brillant.
    Das Zusammenspiel des opulenten Möbeldesigns mit der anderen Wohnzimmereinrichtung löste ein Gefühl der Behaglichkeit in mir aus. Diesen Raum mochte ich traditionell, gediegen, recht opulent und gleichzeitig gemütlich. Deswegen war er verschwenderisch mit Samt, Vorhängen, Kristallen und Gemälden, eben in typisch russischer Adelsmanier, ausgestattet. Ich hatte ihn zum Hauptraum meiner Wohnung auserkoren, der mich an den Luxus meiner Kindheitstage erinnern sollte.
    Wenn nur nicht immer diese verborgene und eisige Einsamkeit mir jeden Genuss trüben würde! Gleich einer Depression legte sie ihre Schatten über alle meine Freuden. Nur geteilt sind Freuden von Wert. Das weiß jeder Einsame zu genau.
    Meine schwarzen Möpse halfen mir, diesen unglückseligen Zustand besser zu ertragen. Beide ließen die Totenstille, die sich um mich herum und in mir befand, etwas lebendiger erscheinen.
    Wenjera und Aurora umliefen aufgeregt meine Füße und wedelten wild mit ihren kurzen Schwänzen. Da ich mich häufig recht schnell bewegte, musste ich sehr aufpassen, dass ich nicht auf ihre kleinen Pfötchen trat. Das war schon sehr oft geschehen und ließ sie vorsichtig sein.
    Wenjera wirkte etwas zierlicher, hatte dafür aber ausgeprägtere Falten als ihre Schwester. Sie war aufgeweckter, zuweilen sogar frech. Diese unruhige Lebendigkeit schätzte ich besonders.
    Ihre großen runden Augen schauten mich neugierig an. Die beiden Schwestern hatte ich für eine ungeheuerliche Summe erworben, da ihr Schwarz von keiner Rötung getrübt wurde. So etwas gab es äußerst selten. Zumeist wird die Reinheit der Farbe durch eine unterschwellige Einfärbung befleckt.
    Meine Hände waren kalt. Es wurde darum Zeit, sich zu stärken. Trank ich zu wenig Blut, kühlte sich als Erstes die Oberfläche der Haut ab, dann kroch die Kälte tiefer und tiefer und lähmte mich immer mehr. Sehr alte Menschen und Sterbende kennen dieses Gefühl.
    Ich öffnete die Tür, welche hinter meinen Kleidern verborgen war. Der Eingang zu dem geheimen Raum war durch diese Anordnung schwerer zu entdecken.
    Das Mädchen zappelte. Sie war erwacht. Ihr ganzer Körper zitterte, wie der von Kranken unmittelbar vor einer Operation oder vor dem Tod. Kot und Urin liefen an ihrem nackten Bein herunter und tropften auf die Duschwanne. Mit dem Schlauch spülte ich diesen Unrat in den großzügig dimensionierten Abfluss und reinigte auch ihre Beine. Ich entfernte den Klebestreifen von ihrem Mund. Sie schrie sofort.
    „Du brauchst nicht zu schreien, es hört dich niemand!“
    Ich legte das Katheder-Set zurecht, um sie damit zu entleeren.
    „Werde ich sterben?“
    Sie schien verblüfft.
    „Ja, aber noch nicht heute.“
    „Warum?“
    „Du hast es verdient!“
    „Ich bin unschuldig“, jammerte sie. „Das Gericht hat mich freigesprochen.“
    Ich lachte auf.
    „Genau das ist dein Problem. Du hast dort gelogen.“
    „Ich bin unschuldig“, wimmerte sie.
    Mich konnte niemand täuschen. Ich stach die Spitze gekonnt in die Vene und befestigte den Schlauch mit einem Klebestreifen. Das Blut aus den Arterien schmeckte zwar durch den höheren Sauerstoffgehalt prickelnder, aber oft kam es bei Kathedern darin zu Unfällen. Der

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