Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Sag mal, kann ich das ablehnen?“
„ Ja, seltsam. Nein, kann ich dir nicht sagen. Da müssen wir morgen Gauernack fragen. Ich weiß nicht, was da vorgeht. Ob man eine Aussage ablehnen kann.“
„ Ok, danke dir. Ich musste das jetzt jemandem mitteilen. Entschuldige, ich wollte dich nicht stören. Bis morgen, Jan-Phillip.“
„ Du störst mich nie, ich bin sogar froh, dass du mich angerufen hast. Schließlich bin ich in meinen Augen mit Schuld an deiner Verletzung. Ich sehe das als vertrauensbildende Maßnahme. Also sage ich Danke.“
Meinhold wa r wirklich sehr ungehalten mit ihrem Kollegen gewesen. Es hatte einen Streit gegeben, sicher. Wendt hatte übertrieben. Er hatte aber aus Sorge gehandelt. Hatte er Schuld? Nein. Sie war es gewesen, die sich alleine auf die Sache eingelassen hatte. Sie hätte auf Hell, Wendt und Klauk warten können, doch wollte sie ihren Kollegen beweisen, dass sie in der Lage war, einen solch gefährlichen Täter zu überführen. Alleine. Das war schief gegangen. Sie hatte eine Kugel gefangen. Sie war jetzt in psychologischer Betreuung. Sie träumte nachts immer wieder. Zylau legt auf sie an. Sie versucht, sich zu ducken.
Vergeblich.
Schmerz.
Ohnmacht.
Unwissenheit.
Zerbrechen.
Meinhold hatte das Gefühl, tief in ihr sei etwas zerbrochen. Keine Ahnung, was tief unten in ihrer Seele noch heil gewesen war. Es gab noch etwas, was dieses dumpfe Gefühl heraufbeschwor. Etwas war noch vorhanden gewesen, was noch brechen konnte. Ich bin jetzt bereit, allen wieder zu zeigen, was in mir steckt, dachte sie. Damit sie mich in Ruhe lassen. Jede Schwäche war auch eine Stärke. Die man nutzen konnte.
War es wirklich so schlimm? Reiß dich zusammen, dachte sie.
„ Nein, Jan-Phillip. Entschuldige dich nicht. Nein, bitte nicht. Du hast keine Schuld. Wirklich. Ich habe das selber verbockt.“ Sie war sich im Klaren, dass sie log. Sicher trug er einen Teil der Schuld. Aber so war es einfacher. Für beide.
Wendt atmete schwer ins Telefon. „ Schon gut, Christina, bis morgen.“
„ Bis morgen.“
Meinhold warf das Handy auf die Couch neben sich. Aus dem Kü hlschrank holte sie sich eine Flasche Wasser. Medium. Wenig Kohlensäure las sie, als sie sich ein Glas einschenkte. Ein Zug. Sie hatte Durst. Seit dem Abend, als sie sich betrunken hatte, gab es keinen Alkohol mehr in ihrem Kühlschrank. Keine Versuchung. Sicherheit.
Sie setzte sich auf die Couch, angelte die Fernbedienung vom Tisch und zappte lustlos durch die Kanä le. Es wurde viel gesprochen. Aktuelle Stunde. Plötzlich ein Reporter, der aufgeregt über den Fund der drei Leichen am Rhein berichtete. Im Hintergrund flatterte das Absperrband. Weiße Overalls der KTU waren zu sehen. Es war ihnen gar nicht bewusst gewesen, dass das Fernsehen vor Ort war. Woher hatten die bereits Informationen gehabt? Zu diesem frühen Zeitpunkt. Meinhold schaute genau hin. Die Aufnahme war von der Bonner Seite gemacht. Nicht von der Seite, wo der Fundort an das Gelände der UN grenzte. Daher war ihnen kein Fernsehteam aufgefallen. Der Mann wusste keine Details. Trotzdem meinte er sagen zu müssen, die Polizei hätte keine Spur. Um seine eigene Unwissenheit zu kaschieren. Typisch. Sie zappte weiter. Wütend.
*
Christoph Hell stutzte. Er saß auf dem Flur vor seinem Zimmer in der Klinik. Heute war sein erster Tag. Zwei Pfleger hatten ihm seinen Rucksack abgenommen.
„ Wir müssen ihre Sachen auf Drogen untersuchen. Das ist so Vorschrift“, hatte einer der Pfleger gesagt. Sie waren mit seinem Rucksack verschwunden. Jetzt kam einer der beiden zurück und gab ihm wortlos den Rucksack zurück.
„ Wir müssen jetzt noch ihre Kleidung überprüfen. Kommen Sie bitte“, sagte er und schloss die Türe auf. Christoph folgte ihm. Das Zimmer war praktisch eingerichtet. Steril, unpersönlich hätte es eher getroffen. Er kannte diese Zimmer ja bereits. Daher hatte er nichts anderes erwartet. Der Rucksack landete auf einem der Stühle. Brauner, abgewetzter Cordstoff, Metallgestell.
Drauß en fegte der Wind Blätter über den Hof, während Christoph sich der Leibesvisitation unterzog. Er ließ es über sich ergehen. Nachdem die Pfleger das Zimmer verlassen hatten, legte er sich mit Unterhose auf sein Bett. Christoph schwitzte.
Entzug. Entzugserscheinungen. Er kannte das.
Dr. Franziska Leck hatte etwas von dem Zusammenhang von Cannabiskonsum und einem gesteigerten Risiko von psychotischen Symptomen gesagt. Das k annte er nicht. Er war sich sicher, dass er
Weitere Kostenlose Bücher