Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
Plötzlich stand eine Sache im Raum, die alle Maßstäbe zu sprengen drohte. Ein Anschlag gegen einen Staatsanwalt mit tödlichem Ausgang. Meinhold war im Einsatz von einer Kugel getroffen worden, Oliver Hell wurde während seiner Entführung massiv geschlagen und psychisch gequält. Doch das waren Ereignisse, die sich aus dem Polizeieinsatz ergaben. Doch Gauernack hatte keinen Einsatz. Er war Staatsanwalt. Auch dieser Beruf brachte ein gewisses Gefahrenpotential mit sich. Es gab nach einigen Verurteilungen Menschen, die sich zu wüsten Drohungen gegen die Staatsanwaltschaft hinreißen ließen. Doch blieb es meist dabei. Die Großmäuler waren nach der Haft meist eher kleinlaut.
„ Wir sollten die Verurteilungen der letzten Jahre überprüfen. Vielleicht findet sich dort ein Kandidat, der Gauernack gedroht hat und nun wieder auf freiem Fuß ist“, sagte Wendt nachdenklich.
Hell nickte zustimmend. „Ich rede mit Brigitta Hansen. Sie soll uns eine Liste zuschicken.“ Er machte eine kurze Pause, sog einmal kräftig die Luft durch die Nase ein, „Aber je mehr wir erfahren, desto eher glaube ich, dass wir eine ‚Causa Gauernack‘ haben.“
Es blieb Klauk, Rosin und Wendt nichts anderes übrig, als zuzustimmen.
„ Wenn wir die Ergebnisse der Durchsicht seiner Akten vorliegen haben, dann wissen wir vielleicht auch, wonach wir suchen müssen“, sagte Klauk.
„ Stimmt!“
„ Wird auch die Wohnung von Gauernack durchsucht? Ich meine, womöglich bewahrt er dort weitere Akten auf, die uns eine Idee liefern.“
„ Du meinst, es hat gar nichts mit uns, sprich der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zu tun?“, fragte Wendt und drehte sich um zu Rosin, „Wenn es was Privates war, dann können wir hier in der Behörde lange suchen. Du hast Recht, Lea. Das sollten wir einbeziehen.“
„ Woran mal wieder sieht, dass man die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, nie gut genug kennt. Sonst wäre uns bestimmt etwas aufgefallen. Ich werde Hansen jetzt sofort anrufen und ihr die Lage schildern“, sagte Hell und fand den Knopf auf dem Telefon wieder, mit dem er schon einmal die Oberstaatsanwältin erreicht hatte.
Je öfter man diese neue Technik benutzt, desto besser klappt es, dachte er, während er parallel die Worte vorformulierte, mit denen er die neuesten Erkenntnisse und Theorien Brigitte Hansen verkaufen wollte.
Es knackte leise in der Leitung. „Oberstaatsanwältin Hansen, guten Tag“, meldete sie sich.
*
Während Lea Rosin mit Christina Meinhold telefonierte, hatte sie ihre Kollegen Klauk und Wendt gut im Blick. Auch konnte sie Hell sehen, der in seinem Büro mit Brigitta Hansen telefonierte. Sein Gesichtsausdruck spiegelte die Anspannung wieder, die nicht nur er spürte. Sie kannte den Staatsanwalt erst kurze Zeit, hatte ihn aber als nicht sonderlich sympathischen Zeitgenossen verbucht. Zu oft war er scheinbar grundlos mürrisch.
Über Staatsanwältin Brigitta Hansen vermochte sie sich aber noch weniger ein Bild zu machen. Wie sie jetzt reagieren würde, dass konnte sie überhaupt nicht vorhersagen.
Während sie mit Meinhold sprach, ruhten ihre Augen weiter auf Hell.
„ Ja, er hat gesagt, er macht das klar mit deinen Dozenten“, bestätigte sie Meinhold das, was Hell gesagt hatte.
„ Du, ich mache hier eine Ausbildung zur Profilerin. Das ist kein Schnellkurs als Versicherungsvertreter.“
„ Nichts gegen Versicherungsvertreter“, sagte Rosin lachend.
„ Ja, klar. Dinge, die die Welt nicht braucht.“
„ Du verunglimpfst gerade einen ehrenwerten Berufsstand“, sagte sie.
„ Was weiß ich. Ist ja auch peng. Fakt ist, ich kann nicht mal eben hier weg, wenn Hell meint, er braucht mich.“
„ Wäre aber doch cool. Wir könnten dann mal schauen, wie es im Team mit uns beiden so klappt.“ Rosin fuhr ihr bestes Argument an den Start. Christina Meinhold hatte sie als Ersatz vorgeschlagen, als sie selbst die Chance erhielt, ihre Ausbildung zum analytischen Fallermittler zu beginnen. Jeder kannte das englische Wort Profiler, analytischer Fallermittler kam auch Meinhold schwer über die Lippen. Obwohl es später einmal ihre Zusatzbezeichnung sein würde.
Hell hatte Rosin auf Probe eingesetzt. Und jetzt war sie aus dem Team nicht mehr wegzudenken. Aber zusammen hatten die beiden Frauen bislang noch nie gearbeitet.
„ Klar wäre das cool. Aber ich denke, wir müssen damit noch eine Weile warten. Bin doch noch ein Psycho-Dummi. Wann fängst Du mit Renovieren an? Dann komme ich mal auf einen
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