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Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)

Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)

Titel: Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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Mathelehrer war. Sogar die Friedfertigsten konnten einen Mörder bezahlen.
    *
    Am frühen Nachmittag stellte das Bonner Radio auf ihrer Homepage das Phantombild ein. Der Mann, der dort gezeigt wurde, trug eine dunkle Sonnenbrille, hatte eine schmale Nase, ein markantes Kinn und eine dunkle Locke hing unter der Kapuze hervor. Es war kein allzu vielsagendes Phantombild. Mit einer Sonnenbrille und einer ins Gesicht gezogenen Kapuze auf sah beinahe jeder Zehnte so aus.
    Hell und sein Team hegten auch keine große Hoffnung, dass mit dem Bild ein schneller Fahndungserfolg verbunden war.
     
     

    Es war eigentlich ganz einfach zu verstehen, was der Ermittler der KTU in den Händen hielt. Es hatte nur eine Sekunde gedauert zu verstehen, dass es etwas von Bedeutung war. Aber er brauchte eine Weile, bis er es in Worte fassen konnte, um seinem Kollegen nicht nur die Akten vor die Nase zu halten.
    „ Hier schau mal, wenn ich das richtig verstehe, hat er Nachforschungen zum Tod seines Bruders angestellt“, sagte Julian Kirsch und hob seine Augenbrauen. Sofort sah er die Unruhe im Blick der Kollegin.
    „ Zeig mal bitte“, antwortete Heike Böhm. Kirsch erwiderte nichts, er gab seiner Kollegin einen Teil der Akten, die er in dem verschlossenen Aktenschrank im Hause von Gauernack gefunden hatte. Sie waren ganz akribisch vorgegangen, hatten sich von links nach rechts durch die Aktenschränke vorgearbeitet. Hätten sie es andersherum getan, wären ihnen diese Akten schon eher in die Hände gefallen.
    Heike Böhm hatte in den letzten Fällen ein Gespür für solche Einsätze entwickelt. Sie arbeitete langsam, gründlich und mit einem Auge für Dinge, die wichtig sein konnten. Dieses Gefühl hatte sie nun wieder. Sie saß nur da, biss sich auf die Unterlippe und wendete ein Blatt nach dem Nächsten. Kein Zweifel, ihr Kollege hatte Recht. Aber es war nicht nur eine private Fahndung, die Staatsanwalt Gauernack betrieben hatte, es war weit mehr. Sie hielt Dokumente in der Hand, die eine Beteiligung der Stasi am Verschwinden des Bruders nahelegte.
    Jeder andere hätte seine Ungeduld nicht zügeln können, doch sie behielt die Ruhe. Dennoch sah Kirsch den angespannten Ausdruck in ihren Augen.
    „ Wir müssen das dringend der Staatsanwaltschaft mitteilen. Und ich denke, wir haben jetzt noch mehr Arbeit, bis wir diese Aktenordner hier alle durchforstet haben“, sagte sie, nachdem sie den Aktendeckel geschlossen hatte. Sie machte eine Kopfbewegung hin zu dem Aktenschrank.
    „ Du kannst bloß keine Untätigkeit ertragen“, antwortete Kirsch und strich sich mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang.
    „ Es hat wenig mit Untätigkeit zu tun. Es hat eher etwas mit Sorgsamkeit zu tun, Julian.“
    Kirsch murmelte eine Antwort, die Heike Böhm aber nicht verstand. „Da ist noch etwas anderes“, sagte sie und fühlte sich bei dem Gedanken nicht wohl.
    „ Was denn?“
    „ Stell dir mal vor, Gauernack wurde getötet, weil er eine Verbindung zwischen dem Verschwinden seines Bruders und der Stasi fand. Das würde bedeuten, dass es heute noch diese Kader gibt, die ihre Spuren mit allen Mitteln vertuschen wollen.“
    Kirsch machte ebenfalls ein sorgenvolles Gesicht. „Denkst Du wirklich, diese Stasi-Gangster sind nach der Wende plötzlich alle geläutert worden? Und haben ihre Verbrechen bereut? Und versuchen nicht, sie zu vertuschen?“
    „ Wohl kaum. Aber gibt es nicht eine Behörde, die sich damit beschäftigt? Und sucht nicht das Bundeskriminalamt nach den Stasi-Verbrechern?“
    Ihre Kiefer waren angespannt, daher presste sie diese Worte nur gequält hervor.
    „ Das tun sie. Aber die alten Seilschaften halten auch heute noch zusammen. Ebenso wie die Nazis nach dem Krieg immer noch zusammengehalten haben. Solange, bis man sie aufgespürt hat.“ Er griff nach der Akte, die ihm seine Kollegin herüberreichte.
    „ Ist es nicht fürchterlich, wenn man über zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR immer noch Angst vor den Stasi-Schergen haben muss?“
    „ Sicher, aber geh mal davon aus, dass man sich dort den Fähigkeiten von Killern bediente. Nur dass sie unter dem Deckmäntelchen der SED töteten“, sagte er in einem konzentrierten Ton und sehr langsam.
    Die Augen des Tatortermittlers hefteten sich auf die Blätter in dem schmalen Aktenordner.
    „ Ja, Du hast sicher Recht. Auch hier ist es wie immer und überall. Aus den Schlagzeilen, aus dem Gedächtnis der Massen. So werden auch die Stasi-Mörder langsam vergessen. Bis einer kommt und

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