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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Fräulein, ich habe geglaubt, es sei ein ganz belangloser Besuch, – bitte vielmals um Entschuldigung, bitte, so setzen Sie sich doch, gnädiges Fräulein.«
    »Mr. Brownlow, wenn ich recht gehört habe?« fragte Rose und sah von dem einen alten Herrn zum andern.
    »Ja, so heiße ich«, sagte der erste alte Herr. »Der Herr dort ist mein Freund, Mr. Grimwig – ach, Grimwig, du bist wohl so freundlich und läßt uns ein paar Augenblicke allein.«
    »Ich glaube«, fiel ihm Miß Maylie ins Wort, »der Herr hier braucht sich die Mühe nicht erst zu nehmen, wegzugehen,denn, wenn ich nicht irre, kennt er bereits die Angelegenheit, über die ich mit Ihnen zu reden gedenke.«
    Mr. Brownlow verneigte sich – Mr. Grimwig, der sich bereits einmal sehr stark verbeugt und dann von seinem Stuhl erhoben hatte, machte eine steife Verbeugung und setzte sich wieder.
    »Die Angelegenheit wird Sie, wenn ich nicht irre, ein wenig verwundern«, begann Rose errötend, »aber Sie haben vor längerer Zeit einem lieben jungen Freund von mir eine außerordentliche Güte erwiesen, und es interessiert Sie deshalb vielleicht, wieder von ihm zu hören.«
    »Was Sie sagen!« rief Mr. Brownlow.
    »Sie haben meinen jungen Freund unter dem Namen Oliver Twist gekannt«, fuhr Rose fort.
    Kaum aber waren diese Worte über ihre Lippen gekommen, als Mr. Grimwig, der so getan hatte, als sei er in ein großes Buch vertieft, das auf dem Tisch lag, das Buch mit einem Krach zusammenschlug und in seinen Sessel zurücksank. Außer maßlosem Erstaunen war nichts in seinem Gesicht zu lesen. Aber auch dieser Ausdruck löste sich schließlich zu einem starren Blick auf, der die höchste Verblüffung verriet. Als schäme er sich, sich so weit haben gehenlassen, raffte er sich, soweit er konnte, auf, um seine frühere Miene wieder aufzusetzen, und blickte geradeaus, brummte und summte vor sich hin, aber die Töne schienen nicht ihren Weg zu finden, sondern erklangen wie im Innersten seines Magens.
    Mr. Brownlow war nicht weniger erstaunt, wenn die Überraschung sich auch nicht in solch exzentrischer Weise auf seinem Gesicht malte. Er rückte einen Stuhl näher zu dem Miss Maylies und sagte:
    »Bitte, reden Sie nicht, gnädiges Fräulein, von Güte und Wohltat, zumal niemand davon etwas weiß. Wenn es in IhrerMacht steht, die ungünstige Meinung, die ich mir von dem armen Jungen bilden mußte, zu beheben, so bitte ich Sie um Gottes willen, lassen Sie mich nicht länger darauf warten.«
    »Ein netter Bursche das, wahrhaftig! Meinen Kopf will ich auf der Stelle aufessen, wenn er etwas andres war als das«, brummte Mr. Grimwig im Tone eines Bauchredners, ohne eine Miene dabei zu verziehen.
    »Oliver ist ein Kind von vornehmer Natur und von wärmstem Herzen«, fuhr Rose auf, und das Blut stieg ihr ins Gesicht, »und jene Macht über uns, die ihn ausersehen hat zu Prüfungen, die weit über die Kraft seiner Jahre hinausreichten, hat Empfindungen in seinem Herzen geweckt, die so manchem zur Ehre gereichen würden, der am Abend der Lebenstage steht und sechsmal so alt ist.«
    »Ich bin erst einundsechzig Jahre«, sagte Mr. Grimwig, immer noch mit demselben gedankenleeren Ausdruck wie vorhin, »und es müßte schon mit dem Donnerwetter zugehen, wenn der junge Oliver nicht wenigstens zwölf Jahre alt wäre. Ich verstehe daher Ihre Anspielung nicht und kann sie nicht auf mich beziehen.«
    »Bitte, achten Sie nicht auf meinen Freund, gnädiges Fräulein«, mischte sich Mr. Brownlow ein, »er weiß nicht, was er spricht, und will nie, was er meint.«
    »O doch, er weiß ganz gut, was er spricht, und meint immer, was er will«, widersprach Mr. Grimwig.
    »Nein, er meint es nicht und weiß es nicht«, beharrte Mr. Brownlow auf seiner Ansicht und erhob sich mit schlecht verhehltem Zorn aus seinem Stuhl.
    »Seinen Kopf will er auf der Stelle aufessen, wenn’s nicht so ist«, brummte Mr. Grimwig.
    »Wenn er jetzt wüßte, was er spricht, und wollte, was er meint, so verdiente er, daß man ihm wirklich den Kopf abschlüge,damit er ihn aufessen könnte«, sagte Mr. Brownlow ernst. Bei diesem Punkt der Auseinandersetzung an gelangt, nahmen beide alte Herren eine Prise und schüttelten sich, wie stets in solchen Fällen, dann die Hände.
    »Kommen wir aber jetzt, Miß Maylie«, fuhr Mr. Brownlow fort, »auf das Thema zurück. Wollen Sie mir freundlichst sagen, was Sie von dem armen Jungen erfahren haben? Ich selbst habe, wie ich vorausschicken möchte, nichts unversucht gelassen, was in

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