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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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seinen Haß dadurch stillen könne, daß er dem Jungen das Leben nähme, so würde er es tun.Da er das aber nicht könne, wolle er beständig auf der Lauer liegen, um Oliver, wo nur irgend möglich, in den Weg zu treten. ›Kurz und gut, Fagin‹, sagte er zum Schluß, ›wenn Sie auch ein Jude sind, so haben Sie doch solche Fallen und Schlingen noch nicht ausgeheckt, wie ich sie meinem jüngeren Bruder Oliver legen werde.‹ –«
    »Seinem Bruder!« rief Rose und schlug entsetzt die Hände zusammen.
    »Das waren seine Worte«, erklärte Nancy, die sich immerwährend unbehaglich umsah, denn die Wahnvorstellung, Sikes könne hinter ihr stehen, wollte nicht von ihr weichen. »Und mehr noch hat er gesagt. Als er von Ihnen und der andern Dame sprach und sagte, es scheine rein der Teufel seine Hand im Spiel zu haben, da lachte er schließlich und meinte, es läge ein gewisser Trost für ihn darin, denn wieviel Tausende und Hunderttausende von Pfunden würden Sie hingeben, wenn Sie erfahren könnten, wer eigentlich Ihr zweibeiniges Schoßhündchen wäre.«
    »Das wollen Sie doch mir nicht einreden«, sagte Rose und wurde totenblaß. »Oder Sie können doch nicht glauben, daß diese Worte im Ernst gesprochen wurden?«
    »Er hat’s im vollen, bittern Ernst gesagt, das hab’ ich deutlich gesehen«, sagte Nancy und schüttelte den Kopf. »Der kann sehr ernst sein in seinem Haß. Ich kenne viele, die Schlimmeres tun als er, aber ich würde ihnen allen lieber ein dutzendmal zuhören als diesem Monks nur ein einziges Mal. Aber jetzt wird es spät. Ich muß nach Hause. Sonst schöpfen sie Verdacht. Ich muß rasch wieder zurück.«
    »Was kann ich nur tun?« jammerte Rose. »Wozu können mir alle diese Mitteilungen nützen, wenn Sie nicht hier sind? Warum wollen Sie zu Ihren Genossen zurück, die Sie doch in so schrecklichen Farben schildern? Wenn Sie Ihre Auskünfte einem Herrn gegenüber wiederholen wollen,den ich sogleich aus dem Nebenzimmer holen kann, so sind Sie, ehe noch eine halbe Stunde Zeit vergeht, an einen Platz gebracht, wo Sie sicher sind.«
    »Nein, ich will zurückkehren«, sagte Nancy, »ich muß zurück, weil – aber wie kann ich von solchen Dingen vor einem unschuldigen jungen Mädchen reden! Kurz und gut: unter den Männern, von denen ich Ihnen erzählt habe, befindet sich einer – der verwegenste von allen – und ich kann nicht von ihm lassen, selbst nicht um den Preis, von dem Leben befreit zu werden, das ich jetzt führe.«
    »Ich weiß, Sie haben sich schon früher für Oliver eingesetzt«, redete Rose ihr zu, »und daß Sie hierher gekommen sind trotz aller Gefahr, um mir zu berichten, was Ihnen zu Ohren gekommen ist, dann Ihre offenbare Reue und Ihr so sichtliches Schamgefühl, – alles dies läßt mich glauben, daß Sie doch noch zu retten sein müßten« – und Rose faltete die Hände, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht – »So seien Sie doch nicht taub gegen meine Bitten! Ich bin vielleicht die erste, die Ihnen mit mitleidigen barmherzigen Worten entgegengekommen ist. Hören Sie auf mich und folgen Sie mir; ich will Sie retten und ich kann Sie retten.«
    »Liebes, gutes Fräulein«, rief Nancy und sank in die Knie vor Rose, »Sie sind ein barmherziges engelgleiches Geschöpf! Ja, Sie sind der erste Mensch, der mir solche Worte gesagt hat. Hätte ich sie früher gehört, wäre es mir vielleicht noch möglich gewesen, ein Leben des Verbrechens und des Jammers aufzugeben, – aber jetzt ists zu spät, viel zu spät.«
    »Es ist nie zu spät«, entgegnete Rose, »wenn jemand sich bessern will.«
    »Nein, es ist zu spät«, jammerte Nancy, außer sich in der Todesangst ihres Herzens. »Ich kann ihn jetzt nicht lassen. Ich kann nicht die Ursache werden zu seinem Tod.«
    »Wieso die Ursache zu seinem Tod?« fragte Rose erstaunt.
    »Nichts kann ihn mehr retten«, rief Nancy. »Wenn ich andern erzählen würde, was ich Ihnen erzählt habe, so wäre er morgen im Gefängnis und verloren. Er ist der Verwegenste von allen und so grausam – ach, so grausam.«
    »Und um eines solchen Menschen willen«, rief Rose, »wollen Sie alle Zukunft aufgeben und auf eine sichere Rettung verzichten? Ist das möglich? Das ist doch Wahnsinn.«
    »Ich weiß nicht, was es ist«, gab Nancy zur Antwort. »Ich weiß nur, es ist so, und nicht bei mir allein verhält es sich so, sondern bei Hunderten, die ebenso sind wie ich. Ich muß wieder zurück. Ob es Gottes Zorn ist? Ich weiß es nicht. Aber alles zieht mich zurück

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