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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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meinen Kräften stand, ihn wieder ausfindig zu machen, und seitdem ich fern von England gelebt habe, ist meine frühere Ansicht, daß mich der Junge hinters Licht geführt und von seinen ehemaligen Kumpanen zu einem Diebstahl hat überreden lassen, sehr erschüttert worden.«
    Rose hatte inzwischen ihre Gedanken gesammelt und erzählte ohne Säumen in kurzen Worten alles, was Oliver zugestoßen war, seit er Mr. Brownlows Haus verlassen. Was Nancy ihr mitgeteilt hatte, behielt sie jedoch für sich, um es dem Herrn allein unter vier Augen anzuvertrauen. Sie schloß mit der Versicherung, Olivers einziger Kummer seit Monaten sei gewesen, seinen einstigen Wohltäter und väterlichen Freund wiederzufinden.
    »Gott sei Dank!« rief der alte Herr. »Das ist ein großes Glück für mich! Wahrhaftig ein großes Glück! Aber, Miß Maylie, Sie haben mir nicht gesagt, wo sich der kleine Oliver jetzt befindet. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen einen Vorwurf mache, aber warum haben Sie Oliver nicht mitgebracht?«
    »Er wartet unten in meinem Wagen«, antwortete Rose.
    »Unten vor dem Haus?« rief der alte Herr, und schon war er aus dem Zimmer draußen, die Treppe hinunter, trat auf den Wagentritt und sprang in die Kutsche, ohne ein Wort zu sprechen.
    Als die Zimmertüre hinter ihm ins Schloß gefallen war, richtete Mr. Grimwig sein Haupt auf, balancierte auf den Hinterbeinen seines Stuhls, beschrieb damit eine scharfe Kurve und wiederholte das einige Male. Nachdem er dieses Kunststück zu Ende gebracht, stand er auf und hinkte, so geschwind es ging, in der Stube auf und ab, blieb dann plötzlich vor Rose stehen und drückte ihr ohne weiteres Federlesen einen Kuß auf die Stirn.
    »Pst«, sagte er begütigend, als die junge Dame, in Furcht versetzt durch sein ungewöhnliches Vorgehen, aufspringen wollte. »Fürchten Sie sich nicht; ich bin alt genug, Ihr Großvater zu sein. Sie sind ein herzallerliebstes, liebes Mädel. Ich habe Sie gern. Übrigens, da kommen die beiden andern.«
    Mr. Grimwig konnte kaum mit einem geschickten Sprung auf seinen früheren Sitz zurückkehren, da traten bereits Mr. Brownlow und Oliver ins Zimmer. Mr. Grimwig begrüßte Oliver äußerst huldvoll, und wäre die Freude dieses Augenblicks ihr einziger Lohn gewesen für all die Mühe, die sie dem armen Jungen gewidmet, würde sich Rose schon reichlich damit bedankt gehalten haben.
    »Wir dürfen übrigens noch jemand nicht vergessen«, sagte Mr. Brownlow und klingelte. »Ich lasse Mrs. Bedwin bitten.«
    Die alte Haushälterin kam, so geschwind es ihr nur irgend möglich war, herauf, blieb an der Türe stehen und wartete auf den Befehl, den ihr Mr. Brownlow geben würde.
    »Nun, Bedwin, mit Ihren Augen wird es wirklich von Tag zu Tag schlechter«, begann Mr. Brownlow in einem Ton, der nicht frei von Ärger zu sein schien.
    »Das stimmt freilich, Sir«, versetzte die alte Dame. »Bei Leuten in meinem Alter werden die Augen eben nicht besser, Sir.«
    »Das hätte ich Ihnen auch sagen können«, versetzte Mr. Brownlow. »Aber setzen Sie sich, bitte, die Brille mal auf und sehen Sie selbst her und überzeugen Sie sich, weshalb wir Sie haben bitten lassen, nicht wahr, Mrs. Bedwin.«
    Die alte Dame kramte in ihrer Tasche lange nach einer Brille, aber Olivers Geduld war gegen eine solche Prüfung nicht gefeit. Er folgte dem Drang seines Herzens und flog ihr in die Arme.
    »Ach du lieber Himmel«, rief Mrs. Bedwin und umarmte und küßte Oliver, »das ist ja mein lieber armer unschuldiger Junge.«
    »Meine liebe, liebe alte Pflegerin«, schluchzte Oliver unter Tränen.
    »Ich wußte es doch, daß er wiederkommen würde«, sagte die alte Dame und hielt ihn fest in ihren Armen. »Und wie gut er aussieht, und gekleidet ist er wie das Kind vornehmer Leute. Wo hast du denn nur die ganze lange Zeit über gesteckt? Und immer noch das liebe Gesicht, nur nicht mehr so blaß, und dieselben sanften Augen, nur nicht mehr so traurig. Ich habe sie nie vergessen und auch dein ruhiges Lächeln nicht. Tagtäglich hat es mir vor Augen gestanden wie das meiner eignen lieben Kinder, die jetzt tot und begraben sind.«
    Und so schwatzte die alte brave Dame und hielt Oliver bald ein Stück vor sich hin, um ihn anzusehen, bald zog sie ihn wieder an sich und strich ihm mit den Fingern durchs Haar und lachte und weinte in einem Atem.
    Mr. Brownlow ließ sie mit Oliver allein, damit sie sich nach Herzenslust ausplaudern könnten, und begab sich mit Rose in ein andres Zimmer. Dort hörte er aus

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